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Familie Stauffenberg: Hitlers Rache

Ursula Brekle

Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg war als Ehefrau von Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der Schlüsselfigur im Widerstand gegen Hitler, von Anfang an in die Widerstandspläne ihres Mannes einbezogen. Sie bewies Mut und Stärke, obwohl sie nach der Ermordung ihres Mannes im Gefängnis und im KZ leben musste. Auch durch den Verlust von Angehö-rigen durchlebte sie eine leidvolle Zeit. Nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 drohte Himmler:
„Die Familie Stauffenberg wird ausgelöscht bis ins letzte Glied.“
Vor Ihnen liegt die spannungsreiche Geschichte, die beweist, dass es Himmler nicht gelungen ist, die Drohung wahrzumachen. Die jüngste Tochter von fünf Geschwistern Konstanze wurde noch während der mütterlichen Haft geboren. Sie berichtete vom 90. Geburtstag ihrer Mutter Nina, auf dem über 40 Nachkommen zusammengekommen waren. Die Nationalsozialisten haben trotz Hinrichtungen und perfider Sippenhaft nicht gewonnen.

Der Wundergarten

Der Wundergarten

Gerhard Krügel

Eine Frau aus Cöpenick ging einmal mit ihrem Mägdlein in den Wald, nach den Müggelbergen zu, um sich eine Last Reisig für den Ofen zu holen. Es war schon kalte Zeit, und wie sie nun in dem Walde waren, fing es auch an zu schneien. Da band die Mutter den Mägdlein ein warmes Tüchlein um den Kopf und sprach: „Nun spring ein wenig im Holz herum, dass du nicht frierst; ich will der weile Reisig zusammentragen, dass wir uns einen warmen Ofen machen können." Das Mädchen fand es wunderschön in dem grünen Walde und sprang und haschte die Schneeflöcklein, die leise hernieder rieselten. Dabei jauchzte es vor Freunden und klatschte in die kleinen Hände; dann lief es wieder und rief und sprang tiefer in den Wald hinein, immer der eigenen Stimme nach, bis es sich zwischen den vielen Bäumen verirrte und nicht mehr wusste, wo es war. Nun wollte es wieder zurücklaufen; aber die Flocken fielen dicht herab und hatten die Spuren längst bedeckt, die seine Füßlein in den weichen Schnee getreten hatten, so dass es nirgends finden konnte, wie es wieder zu seiner Mutter kommen sollte. Es lief und suchte nach allen Seiten hin und her und rief angstvoll nach seiner Mutter, die es aber nicht hörte. Da setzte sich das verirrte Kind in den weichen, weißen Schnee und fing bitterlich an zu weinen. Auf einmal stand neben dem Mädchen ein alter Mann; der es fragte, was es jetzt bei dem Schnee im Walde suche. „Ich will nach Hause," jammerte das Mädchen bloß, „ich will zu meiner Mutter." „So laufe doch nicht tiefer in den Wald hinein," sagte der Alte freundlich," dass deine Mutter dich hier finden kann."

Dann hauchte er in die Luft. Da wehte es lind und warm um sie her, wie Frühlingswinde, die tauten den Schnee von der Wiese weg, die vor ihnen lag. Also bald ward das Gras auf der Wiese grün und aus dem Boden sprossten Blumen, die fingen an zu blühen. An den Sträuchern aber sprangen die roten Rosen auf, und in der blauen Luft wiegten sich bunte Schmetterlinge, die flogen von Blüte zu Blüte. Das Mädchen tat einen lauten Freudenschrei, als es das sommerliche Blühen um sich sah, und lief gleich auf die Wiese und hüpfte um alle Sträucher und roch an jeder Blüte. Dann stand es wieder und horchte den Vögelein zu, die in den Zweigen sangen; den Schmetterlingen sprang es nach über die grüne Wiese hin und rief und jauchzte vor wonniger Lust. Als es endlich des freundlichen Mannes dachte, der ihm diese schöne Wiese gezeigt, war der lange weitergegangen und nirgends mehr zu sehen. Das kümmerte aber das Mädchen nicht, und es sprang wieder zwischen den Blumen hin und warf sich lachend unter einem blühenden Heckenstrauch nieder.

Die Mutter hatte am Anfang das Jauchzen und freudige Rufen ihres Kindes wohl gehört, weshalb sie des Mägdleins auch nicht weiter acht hatte, vermeinend, sie könne es ja zurückrufen, wenn sie wieder nach Hause wollten. Es lag aber nur wenig Holz, dass sie weit in dem verschneiten Walde umhergehen musste, ehe sie eine hinreichende Last zusammen hatte. Da hörte sie auf einmal von den Bergen herunter ein lautes Hallo und Peitschengeknall und Hundegebell. Der Lärm wurde immer gewaltiger und ging, wie ihr deuchte, gerade über sie hinweg. Wie sie nun neugierig über sich schaute, was das wäre, so sah sie plötzlich das Pferd eines wilden Jägers dicht an ihrer Schulter. „Wo ist dein Kind?" rief sie eine mahnende Stimme an. Im selben Augenblicke war sie auch schon zu Boden gerannt, und das Brausen verrauschte fern in den Kronen der Fichten. Die Mutter erhob sich angsterfüllt und rief laut nach ihrem Kinde. Das antwortete ihr auch. Aber es dünkte ihr, als ob das helle Stimmchen bald da, bald dort ertönte. Wenn sie dann eilends hinlief, wo das Rufen zuletzt erklungen war, war die Stimme schon weit von ihr und schien von einer ganz anderen Seite zu kommen. Da lief sie die ganze Nacht in dem verschneiten Walde umher, ängstlich den Namen ihres Kindes rufend; aber sie fand es nicht, und das Mädchen hörte ihr Klagen nicht. Am Morgen lief sie jammernd nach Hause und bat die Nachbarn, dass sie doch kämen und mit ihr nach dem verirrten Kinde suchten, damit es nicht in dem wilden Walde noch eines elenden Todes stürbe. Die zogen alsbald ihre großen Stiefel an, drückten die Pelzkappen über die Ohren und folgten der Frau. Als sie an die Heide kamen, zerstreuten sie sich in dem Walde, der eine ging hierhin und der andere dahin. Sie riefen das Mädchen und hörten auch seine Stimme, aber sie konnten das Kind nicht finden. Als sie schon zwei Tage gesucht hatten, trafen sie von ungefähr alle an einer Stelle zusammen, das war an dem Teufelssee. Da sahen sie plötzlich das Mädchen vor sich, wie es holdselig auf einer Wiese spielte, auch hörten sie die Vöglein in den Zweigen und meinten, das Himmelreich sei vor ihnen. Der Mutter wollt`es das Herz zerhämmern, da sie ihr Mägdlein also gesund und fröhlich wieder sah, und sie rief laut das Kind mit Namen. Da war auf einmal aller Zauber verschwunden; der See und das Moor lagen in tiefem Schnee, das Mägdlein aber sprang lachend zwischen den Sträuchern hervor und freute sich, dass es nun seine Mutter wieder hatte.

Als man es fragte, wie es ihm im Walde ergangen sei, erzählte es, wie auf einmal ein alter Mann neben ihr gestanden habe, der sei gar freundlich gegen sie gewesen und habe ihr auch immer zu essen gebracht, so oft sie danach verlangte. Woher er gekommen und wo er geblieben sei, das wisse sie nicht. Da standen sie alle zusammen und schüttelten die Köpfe und wussten kein Wörtlein dazu zu sagen. Einer aber, ein alter, weißhaariger Mann, der schon viel in seinem Leben erfahren hatte, sagte:" Das ist der Alte vom Berge gewesen." Da nickten sie und gingen heim und erzählten, was sich am Teufelssee zugetragen.

Aber das Kind hat daheim nicht mehr froh werden können und hat sich immerdar nach dem freundlichen Alten und seinem Wundergarten und nach der süßen Speise gesehnt, dass es zuletzt ganz krank davon wurde. Und als es wieder einmal in einer Nacht gar sehr nach ihm verlangte, so kam der Alte aus seinem Berg und nahm es mit sich in sein Schloss.

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Aus "Berliner Sagen" von Gerhard Krügel; Verlag Peter J. Östergaard, Berlin-Schöneberg 1926

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