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Johannes E. R. Berthold
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wahrhaftige Geschichten aus einer wundervolle Kindheit auf dem Land

Der galante Berliner

Der galante Berliner

Hans Ostwald

Galanterie ist scheinbar die schwache Seite des Berliners. Zum mindestens des Berliners aus den unteren Schichten. Gibt es doch in der Berliner Sprache zahlreiche derbe Worte und Redensarten, die den Berliner gerade nicht als liebenswürdigen und zärtlichen Kavalier schildern. Nicht minder groß ist die Zahl der Späße und Anekdoten, die über den Mangel an Galanterie, an Höflichkeit und Aufmerksamkeit sowie freundlicher Zärtlichkeit entstanden sind. Die Redensarten und Späße mögen für sich selbst sprechen:

Hässlichkeit entstellt doch immer
Selbst det scheenste Frauenzimmer -

Wie lieblich ist die Träne einer Braut
Wenn ihr der Bräutijam ins Auge haut.

Ein Arbeiter wartet auf dem Standesamt schon lange mit seiner Braut. Schließlich wird ihm eröffnet, dass der Beamte heute krank ist, und die Trauung erst morgen stattfinden kann. „Ach wat", erwidert er, „denn verzicht` ick uff det janze Vajniejen; mir dut et so wie so schon leid!"

„Sie sollten sich schämen, Lehmann! Erst ein Jahr verheiratet und schon prügeln Sie Ihre junge Frau." - „Na, wenn soll man denn damit anfang`n?"

„So, du warst also gestern mit der Emma aus? Na, dann hast du wohl allerhand ausgegeben?" „Im Jejenteil! Zwee EM! Mehr hatt`se nich bei sich!"

„Ich liebe dich wie verrückt." - Dann heirate mich doch." - „Nee, so verrückt bin ick doch nicht!"

„Denk`dir, in de Nacht drang een Dieb in meine Wohnung, ne Stunde früher als ick nach Hause kam." - Hat er was erwischt?" - „Na ob. Er liegt im Krankenhaus; meine Frau dachte, ick bin`t!"

Nun hatte der Berliner allerdings manche merkwürdigen Vorbilder auf dem Gebiet der Galanterie. Wie sich z. B. der bekannte General Wrangel als zärtlicher Gatte benommen hat, kündigt die folgende Anekdote: Wrangel war ein besonders berühmtes Original. Als er am 10. November 1848 die Truppen wieder nach Berlin führte und als „Gouverneur in den Marken" auftrat, war er allerdings nicht beliebt. Aber er wusste sich durch volkstümliches Wesen bald populär zu machen. Er bediente sich der Berliner Mundart. Das schmeichelte dem Volke. Und seine derbe Art führte dazu, dass man ihn „Papa Wrangel" nannte. Als die Truppen, die infolge des 18. März Berlin hatten verlassen müssen, wieder zurückkehren sollten, hatte das Volk dem General gedroht, man würde seine Gattin hängen, wenn er es wagte, in Berlin einzurücken. Natürlich kehrte sich der General nicht an diese Drohung. Als er aber an der Spitze seiner Truppen durch das Brandenburger Tor ritt, wandte er sich plötzlich an seinen Adjutanten mit der Frage: „Ob se ihr woll jetzt hängen?"

Auch im Gespräch mit Damen schlug Wrangel einen derben Ton an. Er fand offenbar Vergnügen daran, die Damen durch seine Grobheit in Verlegenheit zu setzen. Auf dem Hofballe erschien einst eine Hofdame mit besonders weit ausgeschnittenem Kleide. Als Wrangel ihr Kleid wohlgefällig musterte, fragte sie: „Nun, Exzellenz, so was Schönes haben Sie wohl lange nicht gesehen?" - „Nee, mein Kind", erwiderte der Alte, „seit meiner Entwöhnung nicht."

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Quelle: Hans Ostwald (31.7. 1873-8.2.1940) „Berlinerisch" Verlag Piper&Co München 1932

          gefunden von Hannelore Eckert

 

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