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Flechtwerk
Lebendige Nachbarschaft und Integration

so heißt die erste Ausgabe unserer neuen Zeitschrift

FLECHTWERK - Lebebendige Nachbarschaft und Integration

Die Deutschen sind ofener geworden und haben gleichzeitig mehr Sinn für Heimat, Familie und Nachbarschaft entwickelt. Es müssen neue Wege gesucht werden, um Ausgrenzung und Anonymität zu verhindern.

Die neue Wache

Die neue Wache

Dietrich Lincke

Wenn man, vom Dom aus kommend, Unter den Linden in Richtung Brandenburger Tor entlangschlendert, kommt gleich hinter dem Zeughaus die Neue Wache. Sie entstand 1817/18 nach den Plänen des preußischen Star-Architekten Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) und ist eines seiner ersten Werke, das inzwischen schon fast als Prototyp eines klassizistischen Gebäudes gilt.

In den Zeiten der Monarchie bis 1918, war sie die Königswache, also der Sammelpunkt, von dem aus die Wachen für die königlichen Schlösser eingeteilt und ausgesandt wurden. Dort fanden dann die pittoresken Wachwechsel statt - wie z.B. heute noch in London vor dem Buckingham Palast.

Im heutigen Berlin zieht lediglich am Volkstrauertag noch eine Wache auf. Nur wenige öffentliche Gebäude dokumentieren so deutlich die historischen Veränderungen. Nachdem 1918 mit dem Ende der Monarchie die Funktion als Königswache verloren gegangen war, wurde das Bauwerk 1931 durch Reichspräsident von Hindenburg zum Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs bestimmt; schlicht und würdig wurde es dafür ausgebaut.

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Neue Wache stark beschädigt. Äußerlich war sie bald wiederhergestellt. 1960 widmete sie die DDR-Führung in ein Denkmal für die „Opfer des Faschismus und Militarismus" um. Dies hinderte sie nicht, vor dem Gebäude jeden Mittwoch einen großen Wachaufzug im Stechschritt zu inszenieren. So bot die „Nationale Volksarmee" die Fortsetzung einer preußischen militärischen Tradition, die in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gepflegt wurde. Ausländische Besucher rieben sich manchmal die Augen.

Die Wende brachte auch hier einen Wandel: eine erneute Umwidmung zur Gedenkstätte „für alle Opfer der Kriege und der Diktatur", wie es auch der Bestimmung des Volkstrauertages entspricht, an dem weiterhin eine Wache aufzieht. Das Innere wurde 1993 wieder neu ausgestaltet (wie schon 1960 zu DDR-Zeiten). Dafür hatte sich Bundeskanzler Kohl persönlich engagiert. Im Zentrum des ansonsten schmucklosen Innenraums steht eine vergrößerte Nachbildung der Pietá der Bildhauerin Käthe Kollwitz (1867-1945) - eine trauernde Mutter, die ihren toten Sohn hält. Sie brachte darin ihren Schmerz und die Trauer um ihren eigenen Sohn zum Ausdruck, der im Ersten Weltkrieg gefallen war. Die Darstellung einer Pietá (Italienisch: Mitleid) geht auf die Statuen zurück, die die trauernde Maria mit dem Leichnam Christi zeigen (berühmt das Werk Michelangelos, das er um 1500 geschaffen hat und das im Petersdom zu Rom in einer eigenen Kapelle bewundert werden kann).

So steht die Neue Wache heute bewußt eher im Zeichen der Trauer um die Toten als eines ehrenden militärischen Zeremoniells. Davor bewegen sich die Ströme der Touristen, die das relativ kleine, aber berühmte Schinkel-Bauwerk bewundern und oft auch einen Blick auf die im Innern aufgestellte Pietá werfen. Der eine oder andere mag Vergleiche anstellen mit den Grabmälern für die „Unbekannten Soldaten" in anderen Hauptstädten und daraus Rückschlüsse ziehen auf das veränderte Selbstverständnis der Deutschen.

 

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Bilder: Dietrich Lincke

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