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Botschaft von Chile

Botschaft von Chile

Dietrich Lincke

Die Botschaft von Chile findet man im näheren Umfeld des Auswärtigen Amtes, in der Mohrenstraße 42. In dieser Nachbarschaft haben sich eine ganze Reihe ausländischer Vertretungen angesiedelt. Chile hat ein elegantes Bürohaus ausgewählt, in dem u. a. auch die Botschaften des Nachbarlandes Peru und des Fürstentums Liechtenstein untergebracht sind. Es ist ein repräsentativer, aber kein mondäner Sitz, wenige Meter vom Gendarmenmarkt, also mitten im Zentrum. Dieser Lage entspricht auch die Rolle der Botschaft in Berlin. Sie ist im politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben des Gastlandes und in der Berliner Gesellschaft gut vernetzt.

Die Botschaft vertritt ein Land von 15 Millionen Einwohnern und kann auf dessen traditionell besonders engen Beziehungen zu Deutschland aufbauen. Sie ragen durch ihre Dichte und Vielfältigkeit heraus. In Lateinamerika haben nur Brasilien und Argentinien durch ihre schiere Größe für uns ein noch stärkeres Gewicht, Brasilien insbesondere wegen unserer hohen Investitionen und auch wegen der zahlreichen deutschen Einwanderer, die das Gesicht einer ganzen Region im Südosten des Landes mitprägten.

Auch in Chile lag der Schwerpunkt der deutschen Einwanderung ursprünglich im Süden des Landes. Die chilenische Regierung förderte dort die Ansiedlung von deutschen Emigranten, die nach dem Fehlschlag der Revolution von 1848 eine neue Heimat suchten. Sie erschlossen, nach anfänglich großen Entbehrungen, mit ihrer Tatkraft und Ausdauer große Teile des südlichen Seengebiets.
Das andere wichtige Zentrum der deutschen Einwanderung war die Hafenstadt Valparaiso, deren große Bedeutung allerdings nach der Eröffnung des Panamakanals 1914 erheblich zurückging. Vorher war sie eine wichtige Zwischenstation für die Schiffe, die von Europa und von der Westküste des amerikanischen Kontinents um seine Südspitze herum ihre Routen bis hinauf nach Kalifornien befuhren. Deshalb siedelten sich schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts deutsche Kaufleute und Handelskontore in Valparaiso an. Ihre Aktivitäten strahlten auch zunehmend auf die Hauptstadt Santiago ab. Diese Einwanderer, gebildet und im Laufe der Zeit oft auch wohlhabend, erlangten Einfluss in der Gesellschaft und Wirtschaft des Landes, und sie pflegten ihre Sprache und Kultur über Generationen hinweg. Es gibt noch heute um die 20 deutsche Auslandsschulen in Chile, die teilweise bis zum Abitur führen. Das ist weltweit ein Rekord. (1945 war die Deutsche Schule in Valparaiso die einzige in der Welt, an der ein deutsches Abitur abgenommen wurde.) Auch heute blühen die Kontakte vom gegenseitigen Schüleraustausch bis zur Zusammenarbeit in den verschiedensten Bereichen von Kultur und Wissenschaft.

Die politischen Beziehungen haben ebenfalls eine lange und von Freundschaft und gegenseitiger Wertschätzung geprägte Tradition: Konsulate auf beiden Seiten seit den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts, Errichtung der diplomatischen Missionen bald nach der Reichsgründung. Eine große Rolle spielte für Chile der Pazifische Krieg (1879-1883), den es mit seinen Nachbarstaaten Peru und Bolivien führte. Er wurde auch „Salpeterkrieg" genannt, weil es dabei um den Besitz gewaltiger Salpetervorkommen in der Atacama-Wüste ging, ein damals wichtiger Rohstoff für Düngemittel und Schießpulver. (Erst mit der Entwicklung des Verfahrens zur industriellen Produktion von Salpeter 1913 durch die beiden deutschen Chemiker Haber und Bosch, die dafür den Nobelpreis erhielten, verlor der Natursalpeter an Bedeutung.) Zunächst aber war es für Chile von großer wirtschaftlicher Tragweite, dass es durch den Friedensschluss von 1883 von Bolivien die Provinz Antofagasta mit ihren reichen Salpeter- und Kupfervorkommen und von Peru drei südliche insoweit ebenfalls wertvolle Provinzen erhielt. Allerdings hatte Argentinien Chile während des Konfliktes gezwungen, ihm große Gebiete westlich der Anden abzutreten. Während des Pazifikkrieges hatten die Sympathien in der Welt eher den Gegnern Chiles gehört, wohingegen Bismarck dem Land diplomatische Unterstützung gewährte. Dafür war Chile Deutschland lange Zeit dankbar. Das zeigte sich in seiner Sympathie im Ersten Weltkrieg, aber auch im Zweiten, als die eher linksgerichtete Regierung des Landes sich entgegen starkem Druck von alliierter Seite weigerte, Deutschland den Krieg zu erklären. Alle anderen lateinamerikanischen Staaten hatten dies längst getan, ganz zum Schluss Argentinien. Aus Chile kam gleich nach dem Krieg das erste ausländische Schiff mit Nahrungsmittelhilfe für die notleidende deutsche Bevölkerung. Chile, das vor dem II. Weltkrieg viele jüdische Flüchtlinge aus Deutschland aufgenommen hatte, wusste sehr wohl zwischen dem befreundeten deutschen Volk und dem nationalsozialistischen Regime zu unterscheiden. Vielleicht hätte man von Deutschland auch etwas mehr von diesem Unterscheidungsvermögen während der Herrschaft Pinochets (1973-1989) erwartet.

Chile hatte seit seiner Unabhängigkeit (1810) die längste demokratische Tradition in Lateinamerika, wo sonst fast überall bis weit ins 20. Jahrhundert Militärdiktaturen an der Tagesordnung waren. Die Machtergreifung des Militärs in Chile hatte aber eine besonders tragische Vorgeschichte. Bei den Präsidentenwahlen 1970 hatte der links von den Kommunisten stehende Sozialist Allende die relative Mehrheit von 36,2% vor dem liberal-konservativen Kandidaten (35%) und dem Christdemokraten (27%) erzielt. Nach der Verfassung musste das Parlament entscheiden, welcher der beiden stärksten Kandidaten Präsident werden sollte. Es bestand zwar eine Übung, aber keine rechtliche Verpflichtung, den mit der höchsten Stimmenzahl zu wählen, wenn durchaus Zweifel an seiner demokratischen Zuverlässigkeit bestanden. Die demokratischen Parteien verfügten über fast zwei Drittel der Abgeordneten. Aber die Christdemokraten stimmten für Allende. Sie müssen sich sehr schnell als Zauberlehrlinge gefühlt haben. Es setzte eine massive Welle von Verstaatlichungen in Industrie und Handel und von Enteignungen in der Landwirtschaft, oft mit nachfolgender Kollektivierung, ein. Die Folge war ein massiver Niedergang der Wirtschaft. In den Städten blieben die Lebensmittel aus. Die Hausfrauen gingen scharenweise auf die Straße und demonstrierten. Viele Angehörige der Mittelschicht, gerade auch Deutschstämmige verschleuderten ihr Eigentum und verließen das Land. Allende regierte immer willkürlicher, ohne das Parlament einzuschalten. Viele sahen die Gefahr eines Abgleitens in eine Volksdemokratie. In der Tat hatte die Regierung begonnen, „Betriebskampfgruppen" mit Waffen auszurüsten. Angeblich „in letzter Minute" entschied sich das Militär zu einem Putsch. Bei der Belagerung des Präsidentenpalastes erschoss sich Allende mit einer Maschinenpistole, die ihm Fidel Castro geschenkt hatte - dies bezeugt sein Leibarzt, selbst Sozialist. Das Militär brach nun brutal den Widerstand der Anhänger Allendes. Viele gingen ins Exil. Seine Herrschaft dauerte 16 Jahre. Es erzielte zunächst beträchtliche Erfolge beim Wiederaufbau der Wirtschaft. 1983 wirkte sich die damalige lateinamerikanische Wirtschafts- und Schuldenkrise auch auf Chile aus. Das führte zu einem Erstarken der Opposition. Dem Regime gelang es jedoch nach einigen Jahren, die Wirtschaft wieder auf Erfolgskurs zu bringen. In der Zwischenzeit verstärkte sich aber der innere und äußere Druck auf Pinochet, die Demokratie wiederherzustellen. Er beugte sich dem Ergebnis einer Volksabstimmung, die auf die Verlängerung seiner Amtszeit um 8 Jahre hinauslief. Er erhielt nur 44% und gestattete darauf Gespräche über die Rückkehr zur Demokratie. Sie ermöglichten schließlich Ende 1989 die Wahl des christlich-demokratischen Oppositionspolitikers Aylwin zum Präsidenten. Er setzte den Übergang behutsam fort, was auch die Einhaltung einer Reihe von Zusagen gegenüber dem Militär bedeutete. Auf Aylwin folgte wieder ein Christdemokrat, dann entsprechend einer Abrede zwischen den beiden größten Parteien des Mitte/links-Bündnisses ein Politiker und danach eine Politikerin der nunmehr gemäßigten Sozialisten. Die Regierungen dieser Allianz änderten auch wenig an der marktwirtschaftlich ausgerichteten Politik, die sie vorgefunden hatten, so dass sich die Wirtschaft des Landes kontinuierlich und günstig weiterentwickelte. 2010 wurde mit Präsident Pinera erstmals ein Präsident aus dem Mitte/rechts-Lager gewählt. Der reibungslose Wechsel zeigt, dass Chile seine demokratische Balance wiedergefunden hat.

Trotz des schweren Erdbebens 2010 - bei dem die deutsche Öffentlichkeit viel Anteilnahme und Spendenbereitschaft zeigte - und der gravierenden Rückschläge, die es verursachte, blieb Chile in jenem unglücklichen Jahr auf Wachstumskurs (4,7%). Die Aufwertung seiner Landeswährung um 17% gegenüber dem Dollar verteuerte die Exporte und wirkte sich daher eher nachteilig aus. Der hohe Kupferpreis auf dem Weltmarkt kommt Chile als dem größten Produzenten dieses kostbaren Metalls aber seit langem zugute - es hält den Löwenanteil an den Exporten. Aber die Ausfuhren in den Bereichen Landwirtschaft und Fischerei spielen eine steigende Rolle. Das gilt auch für den Handel mit Deutschland, wo Metalle und Erze über die Hälfte ausmachen. Unter den deutschen Ausfuhren machen Fahrzeuge und Fahrzeugteile sowie Maschinen zusammen deutlich mehr als die Hälfte aus. Insgesamt betrugen unsere Exporte insgesamt fast 2,3 Milliarden, die Importe ca. 2 Milliarden €. Vor diesem Hintergrund hat die Chilenische Botschaft ein reiches Betätigungsfeld, das sie gut und mit Erfolg bestellt. Einen Höhepunkt bildeten die Feiern aus Anlass des 200. Jahrestages der Republik Chile (2010). Die Reihe der kulturellen Veranstaltungen wurde danach fortgesetzt, mit verschiedenen Ausstellungen von Malern aus beiden Ländern, zum Teil in der Botschaft selbst; denn Chile hat kein Gegenstück zu unserem Goethe-Institut, das den Auslandsvertretungen viel Arbeit abnehmen kann.
Der chilenische Präsident Pinera kam schon bald nach seinem Amtsantritt 2010 zu einem offiziellen Besuch nach Deutschland und bekundete damit, welchen Rang er unseren bilateralen Beziehungen beimisst. Er hat eine eindrucksvolle Karriere in der Wirtschaft seines Landes durchlaufen und ist u.a. Mehrheitsaktionär der internationalen Fluglinie LAN, deren Tätigkeitsfeld über Chile hinausgewachsen ist, und einer wichtigen Fernsehgesellschaft.

Auch sein Botschafter in Berlin (seit 3.8.2010) Jorge O´Ryan Schütz war lange Jahre erfolgreich als Unternehmer tätig. Er ist Jahrgang 1958, stammt aus dem traditionellen deutschen Siedlungsgebiet im Süden Chiles und hat in der Hauptstadt dieser Region, Puerto Montt, 12 Jahre lang die Deutsche Schule besucht. Bereits von 1987-97 gehörte er dem diplomatischen Dienst seines Landes an. In dieser Zeit absolvierte er ein Magisterstudium in Europawissenschaften an der Universität des Saarlandes und war anschließend Konsul von Chile in Deutschland (Sitz Bonn). In seine Zuständigkeit fiel die Übersiedlung Honeckers nach Santiago, die ja unter recht dramatischen Umständen erfolgte. (Honecker hatte gute Kontakte zu den Allende-treuen chilenischen Emigranten in der DDR gehabt, einer von ihnen heiratete seine Tochter.)

Von 1997 bis 2010 startete Herr O´Ryan Schütz seine zweite Karriere in der Wirtschaft, bis ihn der neue Präsident als Botschafter nach Berlin schickte. In seiner zupackenden und gewinnenden Art repräsentiert er ein modernes, vorwärtsstrebendes Chile, das sich seiner Werte, seiner kulturellen und wirtschaftlichen Leistungen bewusst ist, aber auch all dessen, was sich Deutschland und Chile wechselseitig zu verdanken haben.

Die Zeiten, in denen vorwiegend die Emigranten das Chilebild in beiden Teilen Deutschlands bestimmt haben, liegen drei Jahrzehnte zurück und sind einem unbefangenen freundschaftlichen Umgang beider Völker gewichen. Die Arbeit der Botschaft hat hier gute Früchte getragen.

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Teaserbild: Dietrich Lincke
Bildquelle: wikipedia; Quelle: Chile_location_map.svg, SRTM30, ETOPO1; Urheber: Chile_location_map.svg: NordNordWest, derivative work: ?????? ? (talk)

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