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Kennst du Antoine
de Saint-Exupéry?

Karlheinrich Biermann

Großer Beliebtheit erfreut sich noch heute die Geschichte vom kleinen Prinzen, jenem philosophischen Märchen, das von Liebe, Freundschaft und Tod handelt. Darin geht Saint Exupery der Frage nach dem Sinn des Lebens nach und blickt zurück auf sein eigenes: das Abenteuer einer Bruchlandung, das Überleben in der Wüste, die Sehnsucht nach der verlorenen Liebe … all das war dem Autor nur allzu vertraut.

Das Museum für Kommunikation

Das Museum für Kommunikation

Dietrich Lincke

Das Museum für Kommunikation sollte ganz oben auf der Besucherliste stehen, für Touristen ebenso wie für den Einheimischen, der denken mag: „das läuft mir nicht weg". Aber vielleicht läuft ihm die rasante Entwicklung der Kommunikationstechnik davon, wenn er sich keinen Einblick gestattet, wieviel sich auf diesem Gebiet in den letzten 150 Jahren getan hat und wie schnell die Entwicklung weitergehen kann. Beide Erkenntnisse vermittelt das Museum. Es war das erste seiner Art in der Welt. Der ursprüngliche Name (Reichspostmuseum) stand also für eine gute Tradition. Sicher wurde er nicht leichten Herzens aufgegeben, um dem erweiterten Themenbereich Rechnung zu tragen.

Das Museum ist zwar kein „Geheimtip". Aber man wundert sich doch, daß es nicht noch stärker frequentiert wird: schon seine Lage ist zentral - in der Leipziger Straße 16, nur ein kleines Stück vom Leipziger und vom Potsdamer Platz. Der repräsentative Bau, eine Komposition aus Hochrenaissance- und Barockstil, ist nicht zu übersehen. Er wird gekrönt von einer 6 Meter hohen „Gigantengruppe", die eine Weltkugel trägt. Wenn man durch die mächtige Holztüre eintrtitt, ist man überwältigt von dem prachtvollen, mit einer Glaskuppel überdachten Lichthof, der sich über drei Stockwerke erstreckt und von Kolonnaden umgeben ist. Darum herum gruppieren sich die Ausstellungsflächen. Die wertvollsten Stücke aber findet man im Untergeschoß in der „Schatzkammer".

Zunächst ein paar Worte zur Entstehung des Museums und über seinen geistigen Vater Heinrich von Stephan. Zwei Namen prägen die lange und eindrucksvolle Geschichte des deutschen Postwesens: die Fürsten von Thurn und Taxis sowie von Stephan.

Das alte deutsche, ursprünglich norditalienische Adelsgeschlecht organisierte seit 1450 die Beförderung der kaiserlichen Kurierpost im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. 1615 verlieh der Kaiser dem Chef des Hauses den Titel „Reichserbgeneralpostmeister". Erst nach dem innerdeutschen Krieg zwischen Preußen und Österreich 1866 wurden die Rechte der von Thurn und Taxis durch den preußischen Staat abgelöst, wie es Stephan in einer Denkschrift bereits angeregt hatte. Er trat bald auch an die Spitze der Postverwaltung des Norddeutschen Bundes, des Vorläufers des 1871 gegründeten Deutschen Reiches. Heinrich von Stephans Werdegang ist das Beispiel einer Bilderbuch-Karriere, wie sie in Preußen/Deutschland im 19. Jahrhundert möglich war: er wurde 1831 als achtes von zehn Kindern eines Schneidermeisters in Stolp/Pommern geboren, besuchte dort das Gymnasium und arbeitete sich dann in der Post vom Schreiber zum Minister empor. Die Reichspostverwaltung leitete er von Anfang an (seit 1871), zunächst als „Generalpostmeister", ab 1880 als „Staatssekretär des Reichspostamtes" (die Ressortchefs waren entsprechend der Reichsverfassung nicht Minister, sondern Staatssekretäre). 1885 wurde er von Kaiser Wilhelm I. geadelt, 1895 zum (preußischen) Staatsminister ernannt. Nach schwerer Krankheit starb er 1897  in seinem Amt. Er hat das Postwesen durchgreifend modernisiert. Die Liste seiner Verdienste ist lang: Er vereinfachte und ermäßigte (!) die Gebühren, vereinte die Post mit dem Telegraphendienst und dem neu entstehenden Telephonnetz; es basiert auf der Erfindung des deutschen Lehrers Philipp Reis  (1834-1874), der 1861 die ersten Geräte zur elektrischen Sprachübertragung vorführte.  Berlin wurde schnell zum Pionier im Fernsprechwesen; 1888 hatte es mehr Anschlüsse als die gesamten USA, 1895 noch immer mehr als ganz Frankreich. Stephan förderte auch die  Rohrpost; sie war zwar schon vorher in London eingeführt, das aber bald von Berlin überrundet wurde mit Leitungen von 26 km Länge und 16 Stationen. Im Westen der Stadt bestand die Rohrpost  bis 1961, im Osten bis 1980; sie war schnell, effizient und - sicher vor Lauschangriffen, weshalb manch einer sie sich zurückwünscht, zumal ein Teil der Infrastruktur noch vorhanden ist.

Mit der Förderung dieser neuen Kommunikationstechniken endet die Liste der Verdienste Stephans nicht.  Er setzte sich für die Einführung deutscher postalischer Fachausdrücke  ein, während vorher vielfach  französische Worte benutzt wurden. Für seine sprachschöpferischen Leistungen, die bald auch als Modell für andere Verwaltungszweige dienten, wurde er vom Allgemeinen Deutschen Sprachverein besonders geehrt.

 Den Spruch, daß gerade die einfachen Einfälle oft besonders genial sind, bestätigte er durch die Erfindung der Postkarte.

WichtigeTätigkeitsfelder waren für ihn die Nutzung und der Ausbau des Transportwesens sowie die internationale Zusammenarbeit. Seit seiner Amtsübernahme schloß er Postverträge mit anderen Staaten, die der besseren Verknüpfung der Dienste dienten und Ansatzpunkte für die Festsetzung einheitlicher Standards waren. 1874 gelang es ihm, den Internationalen Postkongreß mit 22 Staaten in Bern zustandezubringen. Daraus entstand der Weltpostverein, der sich schnell zur ersten universellen Organisation der Staatengemeinschaft ausweitete - lange vor der Schaffung des Völkerbundes und der ihm nachfolgenden Vereinten Nationen. Man kann sagen, daß Heinrich von Stephan damit einen frühen Anstoß zur Globalisierung gab. Dabei half ihm sein hohes internationales Ansehen.

Die Gründung des Postmuseums 1872 war ebenfalls seine Idee. Die anfänglichen Sammlungen wurden zunächst im neuerbauten Generalpostamt in der Leipziger Straße untergebracht (heute gibt es das Gebäude nicht mehr; es wurde im II.Weltkrieg zerstört.) Das war aber nur die erste Etappe; denn das Museum sollte neben dem Sitz der Postverwaltung einen eigenen repräsentativen Bau erhalten. Heinrich von Stephans wollte damit die Bedeutung des Postwesens unterstreichen.  Das Museumsgebäude wurde 1893 - 1898 errichtet, im II. Weltkrieg allerdings schwer beschädigt. Seine Sammlungen waren jedoch zum großen Teil ausgelagert und damit gerettet worden. Das SED-Regime stellte das Gebäude provisorisch wieder her und eröffnete dort 1958 das „Postmuseum der DDR". Im gleichen Jahr entstand mit den Beständen, die in den Westen gelangt waren, das Bundespostmuseum in Frankfurt a.M. und 1966 das „Berliner Post- und Fernmeldemuseum" im Westteil der Stadt. Im Osten wurden noch in der Zeit der SED-Herrschaft  Arbeiten zur Rekonstruktion des Postmuseums in der Leipziger Straße durchgeführt (seit 1982) sowie zusätzliche Ausstellungsflächen durch einen umfangreichen Anbau gewonnen (1987). Nach der Wiedervereinigung setzte man die Arbeiten fort, was auch die Restaurierung der Sammlungen einschloß, die im Laufe der Zeit sehr gelitten hatten. 1991 erfolgte die Übergabe des Museums  an die Deutsche Bundespost, und 1995 wurde schließlich mit der Gründung der Museumsstiftung Post und Telekommunikation eine Dachorganisation geschaffen, der die Museen in Berlin, Frankfurt a.M. und Nürnberg sowie das Archiv für Philatelie in Bonn unterstehen. Gleichzeitig machte diese Benennung deutlich, daß der Aufgabenbereich der Museen erweitert werden und alle Gebiete der Kommunikation erfassen soll, auch diejenigen, die inzwischen aus der Post ausgegliedert worden sind oder nie zu ihr gehört haben (wie Rundfunk, Fernsehen oder Datenverarbeitung). Andererseits ist die willkürliche Zersplitterung der Bestände überwunden, die eine Folge der Kriegsereignisse und der Teilung Deutschlands war. Ein trauriges Beispiel dafür hatte das Schicksal des Mauritius-Tableaus mit der berühmten „Blauen Mauritius" geboten. Es war nach dem Kriege verschollen, tauchte dann aber 1976 in den USA wieder auf und wurde vom amerikanischen Zoll beschlagnahmt. Beide Teile Deutschlands beanspruchten die Rückgabe, so daß die US-Behörden es keinem zusprachen. Erst nach der Wiedervereinigung erhielten wir es  zurück, und es kann somit heute wieder im Museum für Kommunikation gezeigt werden.

Das Wort „Kommunikation", das die Sammlungsgebiete definiert (Geschichte, Perspektiven und technische Abwicklung des Postverkehrs, einschließlich Transport, Telegraphendienst, Telephonsystem, Radio und Fernsehen, elektronische Datenverarbeitung) kann aber auch in einem anderen Sinne verstanden werden: das Museum hat den Ehrgeiz, selbst ein Ort der Kommunikation zu sein. Das bezeugt nicht nur die didaktisch geschickte Präsentation der Ausstellungsgegenstände, sondern auch die Möglichkeit, die verschiedenen Geräte  und Techniken auszuprobieren, wie z.B. das Morsen, das Verschicken von Rohrpost, die Benutzung eines Schnurtelephons. Diese Experimente  faszinieren  gerade Kinder und Jugendliche. Besonders phantasievoll werden die Kindergeburtstagsfeiern  gestaltet, die das Museum anbietet: die  Gäste können ihr eigenes Postamt aufmachen. Ein Erfolgsschlager sind auch die beiden Roboter, die im Ergeschoß herumlaufen. Für Jugendliche wie Erwachsene sind die zahlreichen Sonderausstellungen und Kurse eine zusätzliche Attraktion.

Das Haus ist also nicht nur ein Ort für Briefmarkensammler und Liebhaber historischer Apparate und Maschinen (das natürlich auch), sondern es wendet sich an ein breites Publikum. Für eine Familie, die einen Kurzurlaub mit Kindern in Berlin plant, ist es ein idealer Programmpunkt. Für alle Besucher ist die „Schatzkammer" im Untergeschoß ein „Muß". Dort sind in einem dunklen Raum von innen beleuchtete Säulen aufgestellt, die einige der Hauptattraktionen des Museums zeigen, z.B. das Mauritius-Tableau, die älteste Postkarte der Welt, die ersten Telephonapparate von Reis, ein Morsegerät.

Wer von der Fülle des gebotenen Materials erschöpft war, der konnte bisher in einem sehr gepflegten Museumscafé Wiener Kaffeehauskultur erleben - mit einer entsprechenden Auswahl an Zubereitungsarten des Getränks sowie der besten Kuchen und Torten weit und breit, allerdings zu stattlichen Preisen. Ob der neue Betreiber Dallmayer diese Tradition fortführen kann, wird sich zeigen.

Als Quelle wurde insbesondere der Museumskatalog benutzt. „Vom Reichspostmuseum zum Museum für Kommunikation Berlin", Umschau/ Braus, Heidelberg, 2000 ISBN 3-8295-7026-0. Er ist im Museum für 10 Euro erhältlich und sehr anspruchsvoll gestaltet und bebildert.

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Fotos:  Dietrich Lincke

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Das Museum für Kommunikation

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