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Weihnachtsmarkt in Berlin

Weihnachtsmarkt in Berlin

Andreas Schneider

Der traditionelle Weihnachtsmarkt in Berlin im Jahr 1791 – Textauszug aus der Novelle „Weihnacht-Abend“ von Ludwig Tieck von 1835

Das Gewimmel auf dem Weihnachtsmarkt bei hellen Lichtern in der Dunkelheit des Abends, der Geruch nach Glühwein und Bratwurst, die bunten Auslagen der vielen Buden - all das macht noch heute den Reiz eines jeden Weihnachtsmarktes aus. Und so war es auch schon immer - wie ein Besuch auf dem großen Weihnachtsmarkt in der Breiten Straße in Berlin im Jahr 1791 belegt. Wir verdanken ihn dem Schriftsteller und Dichter Ludwig Tieck, einem Hauptvertreter der deutschen Romantik, der von 1773 bis 1853 u. a. in Berlin, Göttingen und Dresden lebte.

Dabei gehörte der Berliner Weihnachtsmarkt schon frühzeitig zu den bekanntesten und größten seiner Art. Doch im Prinzip gibt es den Weihnachtsmarkt in Berlin gar nicht, von Anfang an nicht, und heute kann man bis zu 80 verschiedene besuchen, in allen Stadtbezirken - im Zentrum u. a. den auf dem Alexanderplatz, am Schlossplatz, auf dem Gendarmenmarkt, am Potsdamer Platz und und und ... Vorgänger gab es schon früh, ab Mitte des 15. Jahrhunderts, in verschiedenen Straßen, u. a. in der Gertraudenstraße bis zum Köllnischen Fischmarkt: „Handel mit Honigkuchen und anderen Syrupteiggebäcken", wie es ein Chronist im köllnischen Stadtbuch vermerkte. Richtig groß wurde er, als er ab Dezember 1750 in der Breiten Straße veranstaltet und insgesamt im Verlauf 18. Jahrhunderts auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und beliebt wurde. Bis hin in Richtung Schlossplatz erweitert, blieb der Weihnachtsmarkt bis 1872 vorrangig in der Breiten Straße. Belegt ist, dass schon „Soldatenkönig" Friedrich Wilhelm I. „in Preußen", der strenge Vater von König Friedrich II, den Großen, den „gewöhnlichen Weynachts- Marckt" 1729 höchstpersönlich besuchte. Er kaufte, soweit es bezeugt ist, Silberwaren und Spielzeug für seine Ehefrau, Königin Sophie Dorothea von Hannover, und seine Kinder, um sie am Heiligen Abend damit zu beschenken.

Richtige Weihnachtsmärkte gab es damals, als Ludwig Tieck Beobachtungen vom Weihnachtsmarkt als Hintergrund für eine Novelle über das Schicksal einer veramten Witwe und Strickerin sowie ihrer Tochter an einem Heiligabend 1791 wählte, im Jahr 1835, schon mehr als 100 Jahre. Denn sie waren allgemein so etwa um 1700 in Deutschland aufgekommen. Interessant erscheint, dass es sie zuerst nur in protestantischen Städten und Gebieten wie Brandenburg-Preußen gab und erst später auch die katholischen Gegenden nachzogen. Natürlich gibt es Städte wie München, Dresden und Nürnberg, die ihren Weihnachtsmarkt, „Striezelmarkt" bzw. „Christkindlesmarkt" bis in das Jahr 1310, das 15. Jahrhundert oder wenigstens bis in die Zeit um 1640 bis 1650 zurückführen - wie Berlin eben bis ins 15. Jahrhundert. Aber dabei wird schon etwas gemogelt: Denn das waren zwar alles schon Märkte zur Weihnachtszeit, aber sie boten noch allerlei an Waren und Gebrauchsgegenständen an - wie auch die Krämerbuden in entstehenden Berlin im 15./16. Jahrhundert. Wirklich vorrangig weihnachtliche Waren fanden die Besucher auf den Weihnachtsmärkten erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts: Spielsachen, Kunsthandwerkliches, Leckereien. So kann man auch erst ab der Zeit von wirklichen Weihnachtsmärkten sprechen.

Doch lassen wir den romantischen Ludwig Tieck selbst zu Wort kommen - in seiner Novelle „Weihnacht-Abend" von 1835, entstanden in der Hochzeit seines novellistischen Schaffens in Dresden. Erstmals in der „vermehrten und verbesserten" Ausgabe seiner „Gesammelten Novellen", Band 2, S. 1 bis 82, veröffentlicht, alle Bände erschienen zwischen 1835 und 1842, schildert er in den einführenden Bemerkungen der Novelle einen Besuch auf dem Weihnachtsmarkt in der Berliner Breiten Straße Ende des 18. Jahrhunderts, genauer 1791, so:

Der Weihnachtsmarkt im Jahr 1776
Der Weihnachtsmarkt im Jahr 1776

Vierzehn Tage vor dem Feste begann der Aufbau, mit dem Neujahrstage war der Markt geschlossen, und die Woche vor der Weihnacht war eigentlich die Zeit, in welcher es auf diesem beschränkten Raum der Stadt am lebhaftesten herging, und das Gedränge am größten war. Selbst Regen und Schnee, schlechtes und unerfreuliches Wetter, auch strenge Kälte konnten die Jugend wie das Alter nicht vertreiben. Hatten sich aber frische und anmutige Wintertage um jene Zeit eingefunden, so war dieser Sammelplatz aller Stände und Alter das Fröhlichste, was der heitere Sinn nur sehen und genießen konnte [...].

Am schönsten war es, wenn kurz zuvor Schnee gefallen und bei mäßigem Frost und heiterm Wetter liegen geblieben war. Alsdann hatte sich das gewöhnliche Pflaster der Straße und des Platzes durch die Tritte der unzähligen Wanderer gleichsam in einen marmornen Fußboden verwandelt. Um die Mittagsstunde wandelten dann wohl die vornehmern Stände behaglich auf und ab, schauten und kauften, luden den Bedienten, welche ihnen folgten, die Gaben auf, oder kamen auch nur wie in einem Saal zusammen, um sich zu besprechen und Neuigkeiten mitzuteilen. Am glänzendsten aber sind die Abendstunden, in welchen diese breite Straße von vielen tausend Lichtern aus den Buden von beiden Seiten erleuchtet wird, daß fast eine Tageshelle sich verbreitet, die nur hie und da durch das Gedränge der Menschen sich scheinbar verdunkelt. Alle Stände wogen fröhlich und lautschwatzend durcheinander. Hier trägt ein bejahrter Bürgersmann sein Kind auf dem Arm, und zeigt und erklärt dem laut jubelnden Knaben alle Herrlichkeiten. Eine Mutter erhebt dort die kleine Tochter, daß sie sich in der Nähe der leuchtenden Puppen, deren Hände und Gesicht von Wachs die Natur anmuthig nachahmen, näher betrachten könne. Ein Kavalier führt die geschmückte Dame, der Geschäftsmann läßt sich gern von dem Getöse und Gewirr betäuben, und vergißt seiner Akten, ja selbst der jüngere und ältere Bettler erfreut sich dieser öffentlichen, allen zugänglichen Maskerade, und sieht ohne Neid die ausgelegten Schätze und die Freude und Lust der Kinder, von denen auch die geringsten die Hoffnung haben, daß irgend etwas für sie aus der vollen Schatzkammer in die kleine Stube getragen werde. So wandeln denn Tausende scherzend mit Planen [Plänen] zu kaufen, erzählend, lachend, schreiend den süßduftenden mannigfaltigen Zucker- und Marzipan-Gebäcken vorüber, wo Früchte, in reizender Nachahmung, Figuren aller Art, Tiere und Menschen, alles in hellen Farben strahlend, die Lüsternen anlacht: hier ist eine Ausstellung wahrhaft täuschenden Obstes, Aprikosen, Pfirsiche, Kirschen, Birnen und Äpfel, alles aus Wachs künstlich geformt; dort klappert, läutet und schellt in einer großen Bude tausendfaches Spielzeug aus Holz in allen Größen gebildet, Männer und Frauen, Hanswürste und Priester, Könige und Bettler, Schlitten und Kutschen, Mädchen, Frauen, Nonnen, Pferde mit Klingeln, ganzer Hausrat, oder Jäger mit Hirschen und Hunden, was der Gedanke nur spielend ersinnt, ist hier ausgestellt, und die Kinder, Wärterinnen und Eltern werden angerufen, zu wählen und zu kaufen. [...] Wurde man schon auf eigne, nicht unangenehme Weise betäubt, von all dem Wirrsal des Spielzeuges, der Lichter und der vielfach schwatzenden Menge, so erhöhten dies noch durch Geschrei jene umwandelnden Verkäufer, die sich an keinen festen Platz binden mochten, diese drängen sich durch die dicksten Haufen, und schreien, lärmen, lachen und pfeifen, indem es ihnen weit mehr um diese Lust zu tun ist, als Geld zu lösen.

Ludwig Tieck

***** 

Quelle:

Ludwig Tieck: Weihnacht-Abend. Novelle, Frankfurt am Main/Leipzig: Insel Verlag, 2002, Seite 11 ff.


Literatur: - Jutta Schneider, 11. Dezember 1750: Weihnachtsmarkt in der Breiten Straße, Edition Luisenstadt, 1999, S. 75-77 
- Christa Lorenz, „Berliner Weihnachtsmarkt", Bilder und Geschichten aus 5 Jahrhunderten, Berlin 1987 
 
Bildquellen:
Vorschaubild und Bild im Text von Andreas Schneider
Der Weihnachtsmarkt in der Breiten Straße, Stich von 1776, gemeinfrei

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