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Krabat

Florian Russi | Andreas Werner

Krabat ist die bekannteste Sagenfigur aus der Oberlausitz. Das Müllerhandwerk und das Zaubern hatte er vom "schwarzen Müller" erlernt, von dem man gemunkelte, dass er mit dem Teufel im Pakt stand. Irgendwann musste es zum Machtkampf zwischen Meister und Schüler kommen.

Die Hauptwirkungsstätte Krabats war die Mühle in Schwarzkollm, einem Dorf, das heute zu Hoyerswerda gehört. Die Mühle besteht noch und hat nach umfänglicher Restaurierung nichts von ihrer Romantik und Magie verloren. Seit 2012 finden hier die Krabat-Festspiele statt.

Johann Friedrich Böttger in Berlin

Johann Friedrich Böttger in Berlin

Hans-Joachim Böttcher

Vom Apothekerlehrling zum Goldmacher

Der Molkenmark mit der Zorn‘schen Apotheke (das obere Eckhaus der rechts abgehenden Straße). Ausschnitt einer Stadtansicht von 1688
Der Molkenmark mit der Zorn‘schen Apotheke (das obere Eckhaus der rechts abgehenden Straße). Ausschnitt einer Stadtansicht von 1688

Obwohl vor fast 300 Jahren verstorben, gehört Johann Friedrich Böttger (* 1682 Schleiz, + 1719 Dresden) auch heute noch zu den Persönlichkeiten, von denen fast jeder schon einmal gehört hat. Da er sich aus jugendlichem Leichtsinn in Berlin der Goldmacherei verschrieb, ist ihm eine gewisse Mitschuld an seinem tragisch verlaufenden Leben nicht abzusprechen. Nach Sachsen geflohen, musste der junge Apotheker als Gefangener von König und Kurfürst August dem Starken über Jahre einer fragwürdigen Forschung zur Herstellung künstlichen Goldes nachgehen. Durch Zufall gelang Böttger in Zusammenarbeit mit dem Montanexperten G. Pabst von Ohain und dem Wissenschaftler E. W. von Tschirnhaus 1706 die Nacherfindung des sogenannten chinesischen roten Porzellans. Von Letzterem sodann mit zur Herstellung von weißem, echtem Porzellan herangezogen, gelang der Forschergemeinschaft Ende 1707 die Erfindung dieses so hoch geschätzten Materials.

Das tragische Schicksal von Böttger und ob er zu recht oder unrecht oft als der Erfinder des europäischen Hartporzellan bezeichnet wird, kann man in der 2011 im Dresdner Buchverlag erschienenen, spannenden Biografie „Böttger - Vom Gold- zum Porzellanmacher" nachlesen.    

   Alles begann im Herbst 1696, als Böttger mit etwa 14 ½ Jahren von seinen Eltern von Magdeburg aus nach Berlin in die Apothekerlehre geschickt wurde. Diese fünfjährige Ausbildung sollte er in der Offizin des Friedrich Zorn am Molkenmarkt 4 absolvieren.

   Ab nun begann für den Jüngling ein hartes Lehrlingsleben, das von früh am Morgen bis spät abends ging. Die Apotheke durfte er selten verlassen und dann nur mit Genehmigung des Patrons. Böttger  musste erst einmal die unzähligen Bestandteile, zum Teil sehr merkwürdiger Art kennenlernen, die in der Arzneimittelkunde gebräuchlich waren. Sodann wurde er an deren Verarbeitung und letztlich schrittweise an das eigentliche Herrichten der Medikamente heran geführt. In der Anfangszeit zeichnete sich der Junge dadurch aus, dass er sehr wissbegierig war und von sich aus die pharmazeutischen Bücher las, die sein Meister besaß. Auch ansonsten zeigte er vielerlei Talent für den Beruf, wie auch einen unermüdlichen Fleiß.

   Das sollte sich jedoch schon nach einem Jahr ändern, da der hochintelligente Böttger offenbar mit seiner Arbeit unterfordert war. In die Apotheke am Molkenmarkt kamen immer wieder einmal ein gewisser Ebers, der hier ehemals gearbeitet hatte sowie der Apotheker Köpke. Beide tauschten sich mit Zorn oder dessen Angestellte über pharmazeutische Probleme aus; sie waren jedoch verkappte Alchimisten. Dabei lernten die beiden auch den eifrigen und an allem interessierten Böttger kennen. Irgendwann werden sie mit ihm auf ihr Lieblingsthema die Alchimie zu sprechen gekommen sein und damit den Stein der Weisen beziehungsweise das Goldmachen. Gegenüber dem vermutlich am Anfang skeptischen Lehrling erwähnte Franz Wiegmann Köpke sicher einmal, dass er ein Buch besitze, in dem das Herstellen des Steines genau beschrieben wird; und ein Buch das lügt ja nicht. Der neugierige Böttger lieh sich daraufhin von Köpke das geheimnisvolle Werk aus.

Dabei soll es sich um eine lateinische Handschrift eines ansonsten wenig bekannten Sankt Galleners mit Namen Helmont gehandelt haben. Böttgers Lateinkenntnisse waren zu gering, um den umfangreichen, komplizierten Text verstehen zu können. Darum suchte er sich Unterstützung bei Zorns Hauslehrer, Magister Adelung, mit dessen Hilfe er die Übersetzung der Handschrift in Teilen ausführte. Aufgrund der nächtelangen Beschäftigung mit dem Text wurde Böttger voller unkritischer Buchstabengläubigkeit zu einem glühenden Anhänger der Alchimie. Die dadurch bei ihm erzeugte seelisch-geistige Verwirrung wirkte sich letztlich auf sein ganzes Leben in tragischer Weise aus. 

Johann Kunckel von Löwenstern
Johann Kunckel von Löwenstern

   Vorerst weckte sie in dem Lehrling den unbändigen Drang, das Gelesene in praktischen

Experimenten erproben zu wollen. Diese führte er heimlich in den Nächten im Labor seines Lehrherrn aus. Entsprechend der im Buch vorgegebenen vielen verwirrenden Schrittfolgen, praktischer, aber zumeist pseudoreligiöser, kabbalistischer und astrologischer Art versuchte Böttger, den geheimnisvollen Stein der Weisen herzustellen. Der soll seinem Besitzer nicht nur ewige Gesundheit und unerschöpfliche Weisheit geben, sondern ebenfalls als Grundlage zur Herstellung von Gold dienen. Das Letztere war es, was den jungen Lehrling dabei mit Sicherheit besonders faszinierte. Sich für ein Sonntagskind mit dem entsprechenden Glücksbonus haltend, glaubte er fest daran, dass es ihm gelingen würde, den sagenhaften Stein herzustellen.

   Das exzessive Studium der Literatur und die Laborexperimente wirkten sich natürlich auf das Leben des Lehrjungen aus. Er vernachlässigte nicht nur seine Freistunden, den Schlaf und die Kirchenbesuche, sondern auch aufs Gröbste seine eigentliche Apothekenarbeit. Da das nächtliche Experimentieren dem Lehrmeister natürlich nicht lange verborgen blieb, verbot Böttger das geheime laborieren. Und das besonders, da die dazu erforderlichen Materialien einfach aus der Apotheke entnommen hatte. Doch der junge Lehrling dachte überhaupt nicht daran zu halten und machte wie gehabt weiter. In seinem Fanatismus den Stein der Weisen zu finden, kam ihm immer mehr jegliches Rechtsbewusstsein abhanden. So stahl er einmal Zorn dessen Schlüssel für den Giftschrank, entnahm daraus Arsen und führte damit Experimente aus. Die Folge war, dass er von den gefährlichen Dämpfen betäubt im Labor zusammenbrach und so erst in der Nacht von seinen ihn suchenden Kameraden gefunden wurde. Ein anderes Mal brach aufgrund seines unvorsichtigen Hantierens im Labor Feuer aus, das gerade noch gelöscht werden konnte, bevor es für das ganze Haus gefährlich werden konnte.

 

   Obwohl der Apotheker sicher voller Ärger auf seinen Lehrling war, entließ er ihn erstaunlicherweise nicht aus der Lehre. Hier zeigte sich schon, dass Böttger seine Intelligenz sowie Redegewandtheit zu nutzen wusste und charakterlich so flexibel war, sich auch absolut reumütig zeigen zu können. Er vermochte dazu einen Charme zu entwickeln, dem man einfach nicht widerstehen konnte. Vermutlich hat das dem jugendlichen Leichtfuß nicht allein geholfen. Sondern es ist anzunehmen, dass sich für ihn auch Ursula Zorn, die Ehefrau seines Patrons, einsetzte. Auf ihren fast 30 Jahre älteren Ehemann offenbar viel Einfluss ausübend, dürfte sie für den sehr hübschen und nur reichlich sieben Jahre als sie jüngeren Lehrling bestimmt viel Sympathie aufgebracht haben.

   Trotzdem vermochte Apotheker Zorn seinen Ärger auf Böttger nicht zu verhehlen und schimpfte von nun ab ständig bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit auf diesen. Besonders ließ er ihm jedoch seinen Spott über dessen Goldmacherei spüren. Am 30. Mai 1698 war es Böttger leid Zorns „unwillige Reden fast täglich auf'm Brod zu essen"; wie er sich späterhin ausdrückte. Er packte heimlich seine Sachen und riss aus dem Lehrverhältnis aus. Seine Wanderung führte ihn weit bis nach Schlesien, wo er vor den Toren der Stadt Breslau jedoch umdrehte und nach Berlin zurück wanderte. Hier ging er zum Apotheker Zorn und bat diesen reumütig um Wiederaufnahme. Der scheint offenbar mehr als gutmütig gewesen zu sein und setzte das Lehrverhältnis mit Böttger fort. Bedingung war natürlich, dass dieser keine heimlichen alchimistischen Experimente mehr durchführt.

   Lange hielt sich der junge Lehrling allerdings nicht an sein Versprechen. Zu verlockend nahe wähnte er sich offenbar dem Ziel Gold herstellen zu können. Irgendwann lernte Böttger den in sehr zweifelhaften Ruf stehenden Alchimisten Christian Siebert kennen. Dieser hatte sich außerhalb von Berlin, vor dem Leipziger Tor, in der Friedrichstadt in seinem Haus ein kleines Labor eingerichtet. In aller Heimlichkeit begann Böttger den Alchimisten immer öfter aufzusuchen, um mit ihm zusammen Experimente durchzuführen. Die Mittel dafür, Chemikalien, Metalle und Geräte schaffte er vermutlich schrittweise aus der Apotheke beiseite. Am 29. September 1699 wurde der Drang für Böttger so groß sich nur noch der Alchimie widmen zu wollen, dass er wiederum die Lehre abbrach; er zog zu Siebert. Die

Eltern in Magdeburg dachten natürlich überhaupt nicht daran, ihren Sohn in seinem Tun auch noch finanziell zu unterstützen. 

Das Leipziger Tor
Das Leipziger Tor

   Immerhin 15 Wochen in dieser Situation ausharrend, sah der erkrankte Ausreißer schließlich ein, dass es so nicht weiter ging. Geschickt, wie er war, schrieb er zu Ostern 1700 reumütig an Frau Zorn einen Brief und bat diese sich bei ihrem Mann dafür einzusetzen, dass er wieder in das Lehrverhältnis aufgenommen. Eigenartiger Weise schaffte es Böttger erneut, dass man ihm verzieh und er die Ausbildung fortsetzen konnte. Das lässt sich nicht nur mit der Sympathie von Ursula Zorn für Böttger erklären. Sondern, deren Mann scheint die überragende Intelligenz und die Meisterschaft Böttgers in der Laborarbeit erkannt und trotz seines unsteten Wesens ebenfalls eine gewisse Schwäche für ihn gehabt haben. Böttger musste lediglich wieder versprechen: „sich hinfüro alles Sudelns und Laborirens zu enthalten und bloß die Apotheke zu versehen." 

   Bald vergaß er allerdings erneut das abgegebene Versprechen und sein Eifer bei der Arbeit ließ merklich nach. Von der Alchimie besessen begann er aufs Neue heimlich im Labor seines Lehrherrn Experimente zur Goldherstellung auszuführen. 

   Wohl am Ende seiner Lehrzeit traf Böttger in Berlin auf zwei Männer, die seinen einmal eingeschlagenen Lebensweg als Alchimist wesentlich bestärken sollten. Einer davon war der international bekannte Glasmacher und Chemiker Johann Kunckel von Löwenstern. Bei seinen gelegentlichen Berlin-Aufenthalten kehrte er immer bei der ihm freundschaftlich verbundenen Familie Zorn ein. Irgendwann wurde Kunckel auf den sich für alles chemisch-alchimistische sehr interessierenden Böttger aufmerksam. Von nun an führte der gelehrte Mann jedes Mal mit ihm bei seinen Apothekenaufenthalten Gespräche über wissenschaftliche Fragen. Ganz begeistert über den Lehrling lobte er überall dessen seltene Kenntnisse sowie Talente. Das förderte natürlich Böttgers an und für sich schon übersteigertes Selbstbewusstsein weiter.

   Im Jahr 1701 lernte dieser einen weiteren geheimen Alchimisten kennen, was sich zutiefst schicksalhaft auf sein weiteres Lebens auswirken sollte. Dabei handelte es sich um einen merkwürdigen Fremden hohen Alters, der als armer Mönch auftrat. Dieser gab vor in Europa herumzureisen, um in dessen Hauptstädten alles Sehenswerte in Augenschein zu nehmen. Er behauptete Grieche zu sein, nannte sich Lascaris und gab sich als Archimandrit eines griechischen Klosters auf der Insel Lesbos im Ägäischen Meer aus. Das Griechische perfekt sprechend und sich auch ansonsten keinerlei Blöße gebend, wurde Lascaris so von allen als das anerkannt, was er vorgab zu sein.  

   Einmal soll er die Zorn'sche Apotheke aufgesucht haben, um sich hier ein kompliziertes Medikament anfertigen zu lassen. Dabei kam er mit Böttger in Kontakt und hat diesen in ein Gespräch über die Mysterien der Alchimie verwickelt. Lascaris fand Gefallen an dem jungen Mann und dem von ihm gezeigten Wissen sowie Eifer in dieser Sache und lud ihn zu sich in seine Unterkunft ein. In der Folge verbrachte Böttger im geheimen seine ganzen Freistunden bei Lascaris, um mit ihm lange Gespräche über die Rätsel der Alchimie zu führen. Als der Fremde schließlich aus Berlin abreiste schenkte er Böttger angeblich ein kleines Fläschchen mit 2 Uncen roten Pulvers.  Davon sollten nach Aussage von Lascaris 1 Gran ausreichen, um 8 Lot Blei in Gold umzuwandeln; insgesamt ließe sich damit Gold im Wert von 80 000 Speciestaler herstellen. Auch teilte er Böttger noch das große Geheimnis der Alchimie in groben Zügen mit, also wie man den Stein der Weisen herstellt. Der geheimnisvolle Grieche verpflichtete Böttger, dass dieser noch einige Tage nach seiner Abreise das Geheimnis bewahren müsse. Erst dann möge er, wenn er wolle die Wirkung der Substanz öffentlich machen, damit in Berlin niemand mehr die Alchimisten als Narren schilt.   

Friedrich I.
Friedrich I.

   Der junge Böttger hielt sich an die Weisung. Im Jahr 1711 berichtete er über die dann im Juli folgenden Ereignisse: „Nach deßen Abreise habe ich aus Curiosité [Neugier], und zwar weil ich des Mönches Vorgehen vor eine menschliche Schwachheit gehalten, im Beysein einigen Leute etwas weniges von obgedachtem Pulver an 2 Loth vom Mercurio [Quecksilber] probiret und wider Verhoffen mit Erstaunen befunden, daß alsbald draus feines Gold worden ..." Teilnehmer dieses Vorganges im Labor des Siebert waren neben diesem ein namentlich nicht erwähnter Advokat sowie der Berliner Gewürzkrämer Friedrich Röber. Letzterer agierte als Geldgeber für die Experimente von Siebert sowie Böttger. Bei diesem Experiment soll ein Goldklumpen von 33 Gramm gewonnen worden sein, den in drei Stücke zerteilt die anwesenden Zeugen erhielten.

   Bei diesem Experiment ist es jedoch nicht geblieben. Ein weiteres führte Böttger zu nächtlicher Stunde im Juli in der Zorn'schen Apotheke vor seinem Lehrgenossen Schrader aus. Auch bei diesem Prozess verwandelte sich das Quecksilber angeblich wieder in Gold; ein durchgeführter Versuch bestätigte dessen Echtheit. Da die beiden der Apothekenangestellte Johann Reißer belauscht hatte, musste Böttger am folgenden Abend vor diesem nochmals ein Experiment zur Goldherstellung ausführen, was wiederum angeblich gelang.

   Den Berichten glaubend hätte also Lascaris den sagenhaften Stein der Weisen besessen und davon einen gewissen Teil an Böttger weitergegeben. Da, wie wir heute wissen Gold nicht künstlich herstellbar ist, kann das von Lascaris angeblich verschenkte geheimnisvolle „Pulver"  nur ein sogenanntes „philosophisches Quecksilber", also eine  Flüssigkeit gewesen sein. In diesem befand sich, bei einem Gehalt von 10-12 Prozent, Goldabrieb, der bei der Zugabe zum Quecksilber dessen Farbe angenommen hatte. Nach dem Erhitzen der Flüssigkeit verflüchtigte sich das Quecksilber und vor anwesenden Uneingeweihten blieb wunderbarerweise nur Gold zurück. Bei der Herstellung größerer Mengen Goldes muss Böttger allerdings durch einen geschickten Trick dieses von vornherein mit eingebracht haben. Das kann nur erfolgt sein indem er mit einem dünnen Bleimantel umzogenes Gold im Prozess verwendete. Die staunenden Zuschauer freilich dachten das Geheimmittel hätte das Blei in Gold verwandelt. Der junge Alchimist besaß in seinen jungen Jahren also schon eine beträchtliche Menge betrügerische Energie, um sich unter seinen Bekannten Anerkennung zu verschaffen. 

Während Böttger in dieser frühen Phase behauptete den Stein der Weisen von Lascaris erhalten zu haben, äußerte er später immer, dass ihn dieser betrog und er selbst nach dem Stein suchen müsse.  

   Trotz aller Geheimhaltung sprach es sich langsam in der Stadt herum, dass Apotheker Zorn einen Lehrling habe, der das große Geheimnis der Alchimie kenne. Daraufhin suchte der Geheime Etatsrat Friedrich Adolf von Haugwitz, der ebenfalls ein Faible für diese  Wissenschaften besaß, die Bekanntschaft von Böttger. Zusammen laborierten beide angeblich erfolgreich auf zwei „Capellen" [Tiegel]. Von Böttger und dessen Künsten begeistert äußerte sich der vornehme Mann gegenüber Zorn sehr lobend über die chemischen Künste von dessen Lehrling. Der Apotheker wusste sicher nicht so recht, was er davon halten sollte.

   Im September 1701 wurde Böttger, trotz der beiden längeren Lehrunterbrechungen, nach der üblichen Prüfung von Zorn als Lehrling freigesprochen. Dieser hatte im Laufe der vergangenen Jahre sehr viel Ärger mit seinem Lehrling gehabt. Allerdings war ihm offenbar zutiefst klar, dass er ein mehr als umfangreiches Wissen in der Apotheker- sowie chemischen Kunst besaß und über ein sehr seltenes experimentelles Geschick verfügte. Da er sicher noch niemals einen derart genialen Lehrling hatte, stellte Zorn darum Böttger nach dessen Freisprechung in seiner Apotheke als Geselle an. 

   Irgendwann zu jener Zeit muss es gewesen sein, dass Kunckel Böttger und sicher auch Zorn

auf sein Gut einlud, wo der junge Apotheker „eine Demonstration auf fein Silber" vorführte, also wohl Kupfer versilberte. Kunckel war über dessen Können ganz begeistert, lobte ihn überall in den höchsten Tönen und pflegte mit ihm einen stetig engeren Kontakt. In dessen Rahmen scheute der erfahrene Wissenschaftler sich auch nicht Böttger für seine chemischen Experimente um Rat zu ersuchten. Aufgrund einer katastrophalen Verschlechterung seiner finanziellen Lage hatte Kunckel in seiner Not verzweifelt selbst mit der Suche nach dem Stein der Weisen begonnen. Auch darüber tauschte er sich mit dem vor Selbstbewusstsein strotzenden Böttger aus. Im Hause des Röber sollen beide zudem zusammen Experimente

ausgeführt haben, um das große Geheimnis der Alchimie zu lösen.   

Johann Friedrich Böttger
Johann Friedrich Böttger

   Das Interesse zweier solcher bedeutender Männer wie Kunckel und Haugwitz an seinem Gesellen und das Getuschel über ihn, dass er Gold machen könne irritierte Zorn immer mehr. Er stellte darum Böttger im Beisein seiner Frau darüber zur Rede. Der antwortete gelassen, dass Zorn doch befürchten müsse gegen Gott zu sündigen, wenn er so leichtfertig seine Wunder in Abrede stelle. Das war für den Apotheker zu viel und er forderte Böttger auf ihm vor mehreren Zeugen ein Beispiel seiner Kunst zu geben. Dieser sollte also mit Hilfe des von Lacaris erhaltenen Mittels eine Umwandlung auf Gold durchführen. Für den 1. Oktober 1701 hatte der vorsichtige Zorn seinen Schwiegersohn den Prediger J. Porst sowie den Magdeburger Consistorialrat Winkler eingeladen der geheimen Vorführung beizuwohnen. Dabei verwandelte Böttger die zur Verfügung gestellten 13 silberne Zweigroschenstücke durch die Zugabe von 1 Gran seines Geheimmittels in Gold gleichen Gewichts. Dieses wurde nach der Durchführung einer üblichen Prüfung als für echt anerkannt. 

 

Man kann davon ausgehen, dass Böttger hier mit einem Taschenspielertrick das Silber gegen Gold ausgetauscht hat. Für einen unerfahrenen neunzehnjährigen Mann war das schon ein geschicktes Manöver, das sonst nur erfahrene „Goldmacher" zustande brachten. Eine Vergoldung des Silbers dürfte er nicht durchgeführt haben; damit hätte er Zorn nicht täuschen können. Woher er als armer Lehrling das Gold allerdings hatte, das ist die Frage.

   Die in der Apotheke vorgenommene positive Metallumwandlung wurde trotz des Schwures auf Geheimhaltung sehr schnell Stadtgespräch. Es dauerte nicht lange, bis die Nachricht von dem Goldmacherexperiment auch zu Ohren des brandenburgischen Kurfürsten und Königs in Preußen Friedrich I. gelangte. Dieser beorderte den Apotheker Zorn zu sich ins Schloss und befragte ihn persönlich zu dem Vorgang. Natürlich ließ er sich auch eines der erzeugten Stücke Gold zeigen, das der Apotheker an sich genommen hatte. Zum Ärger von Zorn behielt Friedrich I. diesen angeblich 30 Dukaten Wert aufweisenden Goldklumpen einfach für sich, um es seiner Kuriositätensammlung einzuverleiben. Als Ergebnis des Gespräches wies Friedrich I. den Apotheker an, dass dieser ihm den jungen Goldmacher ins Schloss schickt; auch eine schriftliche Vorladung gab er Zorn für diesen mit. An seine Kabinettsmitglieder erging die Anordnung dafür Sorge zu tragen, dass der Goldmacher vertraglich an den brandenburg-preußischen Hof gebunden.

 

    Böttger dachte jedoch überhaupt nicht daran, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Ihm war natürlich klar, dass er den Umwandlungsprozess nicht unbegrenzt wiederholen konnte. Einmal würde man ihn als Schwindler entlarven und sodann hart bestrafen. Am 26. Oktober 1701 verließ er darum heimlich Zorns Apotheke und flüchtete erst einmal in das Haus des Krämers Röber in der Berliner Vorstadt. Unverzüglich nach Böttgers Untertauchen waren von Friedrich I. 1000 Taler Belohnung auf die Ergreifung des jungen Alchimisten ausgesetzt worden. Da der wohl seinem Helfer nicht zutraute lange der Verlockung des Geldes widerstehen zu können, nutzte er am 29. Oktober die Nacht zur endgültigen Flucht außer Landes. Böttgers Ziel war Sachsen, wo sein Schicksal allerdings weitaus dramatischere Wendungen nehmen sollte.

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Abbildungen:
- J.F. Böttger
- Der Molkenmark mit der Zorn‘schen Apotheke (das obere Eckhaus der rechts abgehenden Straße). Ausschnitt einer Stadtansicht von 1688
- Johann Kunckel von Löwenstern (Wikipedia)
- Das Leipziger Tor nach einer Aquarellskizze von J. Stridbeck 1690/91
- Friedrich I. auf einem Kupferstich von J.G. Wolfgang nach J.F. Wenzel
- Johann Friedrich Böttger auf einer Grafik
 

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