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Horst Nalewski

Goethe hat ihn bewundert

Goethes Begegnungen mit Felix Mendelssohn Bartholdy

Der Musikkenner und international geachtete Literaturwissenschaftler Horst Nalewski erzählt anhand fünf ausgewählter Beispiele von dem außergewöhnlichen Aufeinandertreffen und Zusammenwirken zweier Künstler. Hörbeispiele sind über QR-Codes abrufbar.

Heinrich Zille in der Akademie der Künste

Heinrich Zille in der Akademie der Künste

Hannelore Eckert

In der Akademie der Künste ist es Tradition, dass die neu erwählten Mitglieder ihre eigenhändig geschriebene Biographie dem Präsidenten in der ersten Sitzung vorlegen, an der sie teilnehmen. So hatte denn auch Zille seine Autobiographie Liebermann überreicht: ein engbeschriebenes Blatt. Liebermann wirft einen Blick darauf, liest ein paar Zeilen, lächelt und sagt in echtestem Berlinerisch:"Det is janz ulkig. Aber sagen Se mal, warum haben Se denn so kleen jeschrieben?" Worauf Zille prompt antwortete:"Erstens sollte das alles uff eene
Seite jehen, und denn - braucht es ja ooch keener zu lesen."
„Soooo," meinte Liebermann, „nu lesen Se`t man selber vor."

Und Zille las. Die würdevollen Mienen der Herren Professoren erheiterten sich zusehends, aus dem Schmunzeln über diesen „frischen Ton" in der Akademie wurde nach und nach ein schallendes Gelächter, wie es der feierliche Sitzungssaal vordem wohl noch nie gehört hatte.
Und als Zille mit gelassenem Ernste zu dem Schlußsatz kam: Jetzt bin ich sogar Mitglied der Akademie geworden. Dazu schreibe ich, was das Blatt Fridericus sagt:"Der Berliner Abortzeichner Heinrich Zille ist zum Mitglied der Akademie der Künste gewählt und als solches vom Kultusminister bestätigt worden. Verhülle, o Muse, dein Haupt!" - da brach ein ganz unakademischer Beifallssturm los. Aber war Zille solchergestalt auch begrüßt worden wie kaum ein anderes neues Mitglied vor ihm - als „Jüngster" musste der Sechsundsechzigjährige dennoch bei der folgenden Abstimmung mit der großen Blechbüchse von Platz zu Platz gehen, die Stimmen zu sammeln. Als er eine Weile dieses Amtes gewaltet hatte, meinte er:"Na, de jeht ja noch; aber muss ick als Lehrling nu ooch den Schnaps für de anderen holen?"
An diesem Tage tagten sie nicht weiter.

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Quelle: „Der Urberliner" von Hans Ostwald, Paul Franke Verlag Berlin 1928

Zeichnung: Wikipedia - gemeinfrei

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