1.
. Für jemanden, der keine Platzangst empfindet oder sie - im Gegenteil - einmal gründlich erleben möchte, hält Berlin Bunker aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs bereit. Immerhin sind noch an die 20 vorhanden. Sie haben sich in der Tat als schwer oder gar nicht zerstörbar erwiesen. Der große Zoobunker widerstand zahlreichen Sprengungsversuchen, bis er schließlich zugeschüttet und zehn Jahre nach Kriegsende in mühsamen Teilsprengungen beseitigt wurde. Die wenigsten der verbliebenen Bollwerke sind jedoch frei zugänglich. Auch der „Führerbunker", in dem Adolf Hitler mit seinem Stab die letzten Wochen bis zu seinem Selbstmord (30. April 1945) verbracht hat, steht für Touristen nicht offen. Die Bunker hatten verschiedenen Zwecken gedient, z.B. als Kommandozentralen, als Lazarette, vor allem aber zum Schutz der Zivilbevölkerung bei Luftangriffen.
Ein solcher Bau, der heute noch immer zugänglich ist und auch ein großes Publikum anzieht, ist der „Anhalter Bunker", neben der malerischen Ruine des früheren Anhalter Bahnhofs, also ganz zentral in der Nähe des Potsdamer Platzes gelegen, direkt gegenüber dem anspruchsvollen Hotel Mövenpick. Die Gegend wird von vielen Touristen durchstreift.
Der Bunker liegt etwas versteckt im Innenhof der Fanny Hensel-Grundschule. Er umfaßte bei seiner Errichtung 1943 eine Fläche von 3500 qm auf 5 Stockwerken mit 3 m dicken Außenmauern und war dafür vorgesehen, 2500 Schutzsuchende aufzunehmen. Bei Kriegsende waren dort 12 000 Menschen zusammengepfercht, bis er am 1. Mai geräumt werden mußte, weil die Kampfhandlungen näherrückten.
Bald nach Kriegsende erhielten die Bunker in West-Berlin eine neue Aufgabe. Die Erfahrungen mit der sowjetischen Blockade 1948/49 zwangen zur Anlage von Vorräten (insbesondere Lebensmittel, Brennstoffe). In der halbzerstörten Stadt gab es nur wenige geeignete Lagermöglichkeiten, und so nutzte man dafür die Bunker.
2.
Mit der Normalisierung der Verhältnisse erhielt jedenfalls der „Anhalter Bunker" eine andersartige Aufgabe. Er berherbergt seither ein Gruselkabinett, ferner ein Figurenkabinett (zur Geschichte überwiegend schauriger medizinischer Eingriffe). Darüber hinaus kann man auf Bunkertouren die unbehagliche Vergangenheit des Gebäudes nachvollziehen.
Seit dem 1. April 2015 kommt eine neue Zweckbestimmung hinzu. Das „Berlin Story Museum", das sich seit 2010 im Untergeschoß einer Buchhandlung Unter den Linden (Ecke Friedrichstraße) befand und dort schon viele Besucher anlockte, ist nun ebenfalls in den Bunker eingezogen. Es wird von einer privaten Initiative getragen und will die Geschichte der Stadt seit ihrer Gründung (etwa 1240) darstellen. Dabei liegt der Ton auf der neueren Zeit: Drittes Deich, Zweiter Weltkrieg, Nachkriegszeit, Teilung der Stadt. Der Ehrgeiz der Betreiber ist nicht, wertvolle Ausstellungstücke zu sammeln, sondern die Geschichte zu veranschaulichen durch Gebrauchsgegenstände, Bilder, Photographien, Schaubilder. Ein Audioguide (in zehn Sprachfassungen) erläutert den Rundgang. Besucher können umfängliches Informationsmaterial in Augenschein nehmen und erwerben. Die Ausstellung ist bewußt didaktisch aufgebaut und dürfte in der Tat jugendliche Interessenten besonders ansprechen, die durch einen ermäßigten Eintrittspreis (5.-€ einschließlich Audioguide) gewonnen werden sollen. Dem Berlin Story Museum ist zu wünschen, daß ihm der Erfolg in dem neuen, deutlich größeren Domizil treu bleibt.
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Fotos: Dietrich Lincke