Berlin-Lese

Gehe zu Navigation | Seiteninhalt
Berlin-Lese
Unser Leseangebot

Der Bronstein-Defekt

und andere Geschichten

Christoph Werner

"Ich stellte bald an mir selbst die Verführung durch Zählen und Auswerten fest und empfand die Wonne, Gesetzmäßigkeiten bei gewissen Massenerscheinungen festzustellen. Nichts war vor mir sicher. Als erstes machte ich mich über die Friedhöfe her..."

Das Zeughaus - Deutsches Historisches Museum

Das Zeughaus - Deutsches Historisches Museum

Dietrich Lincke

Wenn man vom Dom und der Museumsinsel kommt und Unter den Linden entlangschlendert, stößt man gleich rechts hinter dem Kupfergraben auf  das Zeughaus. Nach der Sprengung des Berliner Schlosses 1950 ist es das größte Barockgebäude der Stadt - ein quadratischer Bau (Seitenlänge 90m). Es entstand um das Jahr 1700. Städtebaulich war es eine Art Gegenstück zum Schloß, das seine äußere Form weitgehend in der gleichen Zeit erhielt. An beiden Bauten wirkten deshalb auch oft dieselben Architekten mit. Insbesondere gilt das für den genialen Künstler Andreas Schlüter. Am Zeughaus schuf er einen großen Teil der Reliefs an der Dachbalustrade sowie die Köpfe der sterbenden Krieger im Innenhof, der später nach ihm benannt wurde. Auch im Berliner Schloß galt der Schlüterhof als ein besonderes Kleinod. Er soll deshalb ein Kernstück des Wiederaufbaus werden. Wenn die beiden großen Barockbauten einander wieder schräg gegenüberstehen, wird man sagen können, dass Berlin seinen  Mittelpunkt zurückerhalten hat.

Das Zeughaus entstand, wie der Name sagt, als Waffenarsenal. Diese Nutzung war schon im 19. Jahrhundert technisch nicht mehr sinnvoll, und so wurde daraus allmählich ein Waffenmuseum. Einer Anregung Kaiser Wilhelms I. folgend, wurde deshalb 1876 - 1880 der Innenausbau entsprechend umgestaltet: es wurde definitiv zum Museum und erhielt eine Ruhmeshalle der preußischen Armee. (Damals wurde auch die Glasdecke über dem Hof geschaffen, die ihn in ihrer heutigen Form zu einem beliebten Ort für große Veranstaltungen macht.)

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude beschädigt, der Inhalt weitgehend vernichtet oder verstreut. Die gröbsten Kriegseinwirkungen wurden allerdings bald behoben und die DDR-Führung eröffnete dort 1953 ein „Museum für deutsche Geschichte" im Geiste ihrer Ideologie des „historischen und dialektischen Materialismus". Den Schwerpunkt bildeten die revolutionären Bewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts. Diese Aussstellung wirkte wie eine  plumpe Propagandaschau. Der Grundgedanke, das Zeughaus als „Deutsches Historisches Museum" zu nutzen, überdauerte aber die Wende. Um dieser Funktion und dem prominenten Charakter des großartigen Barockbaus gerecht zu werden, waren jedoch umfangreiche Arbeiten erforderlich. So mußte das Haus jahrelang geschlossen werden. Außerdem sollte es durch eine neue Ausstellungshalle ergänzt werden. Damit wurde der chinesisch-amerikanische Architekt Ioeh Ming Pei betraut, der sich weltweit einen hervorragenden Ruf  als Museumsbauer erworben hatte. Das Zeughaus behielt seine Wirkung als geschlossene mächtige Einheit. Dahinter, aber deutlich abgegesetzt, nur unterirdisch verbunden, entstand der neue mehrstöckige Ausstellungsbau. Hier ist ein glückliches Nebeneinander von neu und alt gelungen, das im Gegensatz zu anderen Versuchen dieser Art auch auf wenig Kritik gestoßen ist. 2003 war die neue Halle fertiggestellt, und sie hat seither viele interessante Sonderausstellungen beherbergt. 2006 wurde dann im Zeughaus selbst die Ständige Ausstellung „Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen" eröffnet. Ihr Ziel ist es, einen ausgewogenen und  breitgefächerten Überblick über 2000 Jahre deutsche Geschichte zu geben. Das soll nicht nur - wie oft bei didaktisch aufgebauten Ausstellungndieser Art - durch Kopien von wichtigen Dokumenten und Bildern sowie durch Schautafeln und -bilder, sondern durch kostbare Originale geschehen. Es scheint, dass die angestrebte Wirkung auf die zahlreichen Besucher (Touristen, aber auch Jugendgruppen, Schulklassen) durchaus erreicht wird. Die Ausstellung beginnt in der römischen Zeit und dem Mittelalter etwas gedrängt, aber mit eindrucksvollen Zeugnissen wie dem prächtigen Fußbodenrelief aus Trier und anderen Funden aus der Antike, wertvollen Handschriften. Die Zeit der Renaissance und der Reformation ist u.a. vertreten durch Bilder von Albrecht Dürer und Lucas  Cranach d.Ä. (seine Portäts von Martin Luther und Katharina von Bora). Je weiter die Zeit sich unserer Gegenwart nähert, desto intensiver und umfangreicher wird das Anschauungsmaterial, die zeitgenössischen Porträts und Gemälde von typischen Situationen sowie besonders charakteristische Gegenstände der Epoche, bis schließlich im 20. Jahrhundert auch Dinge des Alltags erfaßt werden. Das sind Konzessionen an die didaktischen Zielsetzungen der Ausstellung, die umso deutlicher werden, je stärker Ereignisse bis in die Gegenwart fortwirken.

Insofern hat das Museum im Zeughaus eine andere Zweckbestimmung und Aufgabenstellung als die grandiosen Sammlungen und Schätze auf der gegenüberliegenden Insel. Trotzdem mag manch einen gerade dieser Kontrast reizen. Man sollte den „Sprung über den Kujpfergraben" wagen. Ein Besuch in dem barocken Zeughaus ist ohnehin für Berlinreisende fast ein touristisches Muss. Vielleicht lockt auch die geräumige, allerdings nicht sonderlich preisgünstigee Cafeteria, besonders wenn bei schönem Wetter die Terrasse am Kupfergraben, dem „linken Spreearm", eine Verschnaufpause mit faszinierenden Ausblicken bietet.

****

Fotos: Dietrich Lincke

Weitere Beiträge dieser Rubrik

Das Pergamonmuseum
von Dietrich Lincke
MEHR
Das Alte Museum
von Dietrich Lincke
MEHR
East Side Gallery
von Hannelore Eckert
MEHR

Das Zeughaus - Deutsches Historisches Museum

Unter den Linden 2
10117 Berlin

Detailansicht / Route planen

Werbung
Unsere Website benutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung unserer Inhalte stimmen Sie der Verwendung zu. Akzeptieren Weitere Informationen