Berlin-Lese

Gehe zu Navigation | Seiteninhalt
Berlin-Lese
Unser Leseangebot

Familie Stauffenberg: Hitlers Rache

Ursula Brekle

Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg war als Ehefrau von Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der Schlüsselfigur im Widerstand gegen Hitler, von Anfang an in die Widerstandspläne ihres Mannes einbezogen. Sie bewies Mut und Stärke, obwohl sie nach der Ermordung ihres Mannes im Gefängnis und im KZ leben musste. Auch durch den Verlust von Angehö-rigen durchlebte sie eine leidvolle Zeit. Nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 drohte Himmler:
„Die Familie Stauffenberg wird ausgelöscht bis ins letzte Glied.“
Vor Ihnen liegt die spannungsreiche Geschichte, die beweist, dass es Himmler nicht gelungen ist, die Drohung wahrzumachen. Die jüngste Tochter von fünf Geschwistern Konstanze wurde noch während der mütterlichen Haft geboren. Sie berichtete vom 90. Geburtstag ihrer Mutter Nina, auf dem über 40 Nachkommen zusammengekommen waren. Die Nationalsozialisten haben trotz Hinrichtungen und perfider Sippenhaft nicht gewonnen.

Sammlungen über moderne Kunst, Surrealismus und Jugendstil  am Schloß Charlottenburg.

Sammlungen über moderne Kunst, Surrealismus und Jugendstil am Schloß Charlottenburg.

Dietrich Lincke

Schloßstraße
Schloßstraße

In der Schloßstraße, schnurgerade gegenüber dem Charlottenburger Schloß (s. besonderen Beitrag) haben die drei Kunstsammlungen in eindrucksvollen Gebäuden ihre Heimat gefunden. Die Straße beginnt mit den beiden klassizistischen „Kavaliershäusern". Sie wurden nach einem Entwurf König Friedrich Wilhelms IV. von dem berühmten Architekten Friedrich August Stüler 1851-1859 errichtet. Stüler entwickelte den Baustil Schinkels weiter. Er hat u.a. auch das „Neue Museum" auf der Berliner Museumsinsel und andere Museumsbauten in Europa sowie das Schweriner Schloß und die Burg Hohenzollern geschaffen.

Die Kavaliershäuser dienten ursprünglich als Offizierskasernen des königlichen Gardedukorps. Heute beherbergen (vom Schloß aus betrachtet) das linke Eckgebäude die Sammlung Scharf-Gerstenberg (Surrealismus) und das rechte die Sammlung Berggruen (moderne Kunst). Daran schließt sich ein etwas jüngeres, aber ebenfalls klassizistisches Haus an, das auch als Offizierskaserne erbaut wurde und seit 1983 der Bröhan-Sammlung als Museum dient. Alle drei Häuser sind in ihrem Innern sinnvoll, großzügig und geschickt für den neuen Verwendungszweck ausgestaltet.

Museum Bergruen
Museum Bergruen
  1. Das Museum Berggruen ist ein besonderer Anziehungspunkt für Liebhaber der modernen Kunst, umso mehr, als die Neue Nationalgalerie seit 2015 auf Jahre wegen Renovierung geschlossen bleibt und nicht absehbar ist, wann das geplante Museum der Moderne verwirklicht wird (s. Beitrag Moderne Kunst in Berlin). In diesem Beitrag werden auch der Lebensweg des Mäzens Heinz Berggruen (1914-2007) und die Schwerpunkte seiner Sammlung behandelt (zahlreiche Werke von Pablo Picasso aus allen Perioden sowie ein breites Spektrum von Paul Klee und Henri Matisse). Obwohl der Bund und das Land Berlin die Bestände im Jahre 2000 erworben haben, engagiert sich die Familie Berggruen weiterhin stark für das Museum. Die Villa wird um einen großen Anbau erweitert, der 2015 noch fertigzustellen ist. Dabei achtet man sorgfältig darauf, daß der architektonische Eindruck des Stüler-Baus nicht geschmälert wird.

  2. Auch das Kavaliershaus gegenüber, in dem die Sammlung Scharf-Gerstenberg über „surreale Welten" untergebracht ist, kommt optisch voll zur Geltung. Die Nebengebäude gehörten als Marställe sowieso zum Gesamtkomplex und sind nun ins Museum integriert. Eine Glasfront im Anschluß an die Villa ist bewußt zurückgenommen und stört nicht. Sie ist sogar willkommen, da das dahinter gelegene Café und der Vorhof - bei schönem Wetter eine sonnige Terrasse - Gelegenheit für schöpferische Pausen bieten.
    Thematisch beschränkt sich das Museum nicht auf die Kunstrichtung des Surrealismus im 20.J ahrhundert, sondern greift weiter zurück und zeigt auch Werke von bedeutenden Künstlern, die diese Darstellungsform bereits vorweggenommen haben wie Goya, Piranesi und Redon. Aber der Hauptakzent liegt doch auf der modernen Richtung, bei Künstlern wie Dali, Magritte, Max Ernst, Dubuffet. So ergibt sich eine umfangreiche Gesamtschau, keine Aneinanderreihung herausragender Einzelstücke. Salvador Dali, der wohl bekannteste Protagonist des Surrealismus, ist allerdings nur mit einigen Zeichnungen vertreten. Aber es haben sich auch immer wieder Mittel und Wege gefunden, die Exponate zu ergänzen.
    Das zeigt die wechselhafte Geschichte der Sammlungen Otto Gerstenbergs (1848-1935), der ein bahnbrechender Versicherungsunternehmer (Victoria-Versicherung) war und eine der bedeutendsten und weitgespanntesten Kunstsammlungen schuf. Im II. Weltkrieg erlitt sie jedoch schwere Verluste durch Brand und sowjetische Beutenahme. Die Familie rettete zwar wichtige Teile der Bestände, mußte aber nach dem Kriege einiges davon verkaufen. Der Enkel Otto Gerstenbergs, Dieter Scharf (1926-2001), baute die Sammlung partiell wieder auf und gründete im Jahre 2000 zu Ehren seines Großvaters die „Stiftung Sammlung Dieter Scharf zur Erinnerung an Otto Gerstenberg". Diese schloß mit den Berliner Staatlichen Museen einen Leihvertrag, zunächst auf 10 Jahre, und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz stellte 1908 das Museum zur Verfügung. Vorher hatte es immerhin der altägyptischen Sammlung mit Nofretete an der Spitze als Herberge gedient, die wieder auf die Museumsinsel (Neues Museum) umgezogen ist.

Museum Scharf-Gerstenberg
Museum Scharf-Gerstenberg

3.

Die Entstehungsgeschichte solcher Privatsammlungen ist oft so spannend und interessant, daß sie auch denjenigen fasziniert, der eigentlich gekommen ist, um die ausgestellten Kunstobjekte zu studieren. Das gilt gerade auch im Falle des Bröhan-Museums für Jugendstil, Art Deco und Funktionalismus. Der Initiator und Mäzen Karl-H. Bröhan tat selbst den Ausspruch:„Kenntnisse und Geld sind die besten Grundpfeiler des Sammelns. Beides hatte ich von Hause aus nicht." Er schaffte es, beides zu erwerben. Wie der berühmte Entdecker Trojas Heinrich Schliemann im 19. Jahrhundert schuf er sich zuerst ein Vermögen: er baute eine zahnmedizinische Großhandlung auf, die er Mitte der 60er Jahre verkaufen konnte. Dann zog er aus Hamburg nach Berlin und widmete sich ganz seiner Sammelleidenschaft. Zunächst kaufte er systematisch kostbares Porzellan, beginnend mit dem 18.Jahrhundert, das aber nicht im Bröhan-Museum ausgestellt wird, soweit es vor der Zeit des Jugendstils gefertigt wurde, sondern im Belvedere, dem von Langhans erbauten Sommerhaus am Ende des Charlottenburger Schloßparks (s. besonderen Beitrag). Das Porzellan war wohl die Brücke zu seinem neuen Sammelgebiet, dem Jugendstil und seinen Ausläufern (1889-1939), also der Stilepoche, die der modernen Kunst vorausging, ihr teilweise den Weg ebnete, zeitweilig aber auch parallel dazu verlief. Der Jugendstil erhielt seinen Namen nach der Zeitschrift „ Jugend", die in München erschien und auf ihren Titelblättern sowie im Inhalt diese Kunstrichtung verkörperte. Die neue Bewegung strebte eine ganzheitliche Sicht an, die alle Bereiche von der bildenden Kunst bis zur Literatur und Musik, auch zum Tanz erfassen sollte. Sie löste den im 19.Jahrhundert vorherrschenden Historismus ab, wollte etwas grundsätzlich Neues schaffen und sich in ihrer Formgebung an der Natur orientieren. So schöpfte sie auch Anregungen aus der japanischen Kunst, in der man ähnliche Konzepte zu finden glaubte. Die meisten Künstler waren bestrebt, sich möglichst vielseitig zu betätigen, also in verschiedenen Kunstgattungen. Dazu gehörte auch das Kunsthandwerk, und man legte Wert auf das dafür erforderliche Können. Darüber hinaus entwickelte man sogar bewußt Formen, die sich für die industrielle Produktion eigneten.

Den meisten Anhängern der modernen Kunst widerstrebten diese Ziele und Auffassungen. Sie empfanden oft nur Geringschätzung für die „gegenständliche" Malerei der Jahrhundertwende und taten sie sogar als „Kitsch" ab. Diese Abneigung bestand noch lange nach dem II. Weltkrieg, verstärkt durch das Bedürfnis, sich von dem Vorangegangenen abzugrenzen, nicht nur von der NS-Zeit. Dabei hatten die Jahrzehnte vor dem I. Weltkrieg, die Blütezeit des Jugendstils, gerade das Stadtbild von Berlin entscheidend geprägt, weil sich die Hauptstadt damals rasant entwickelte. Gewiß hatten die Bombenangriffe und die Kampfhandlungen der letzten Wochen des II. Weltkriegs die Bausubstanz zur Hälfte zerstört. Aber bald begann man vielerorts auch die verbliebenen Stuckfassaden von den Häusern abzuklopfen, nicht nur wegen der Reparaturkosten, sondern nach dem ausdrücklichen Motto, man wolle die „wilhelminischen Schnörkel" nicht mehr. Diese Einstellung traf nicht nur die Architektur, sondern das Kunstverständnis der Großväter überhaupt.

Als Bröhan Mitte der 60er Jahre seine Sammlung des Jugendstils begann, stieß er deshalb auf Schätze, die oft nicht gewürdigt wurden, auf Künstler und Kunstwerke, die in Vergessenheit zu geraten drohten. Er machte seine Erwerbungen also - wirtschaftlich gesehen - in der Baisse, aber mit dem sicheren Gespür dafür, welches Potential in ihnen steckte. Beim Porzellan kamen ihm die Kenntnisse aus seinem früheren Sammelgebiet zugute, und das zeigt sich an den besonders eindrucksvollen Exponaten. Aber auch die Zier- und Gebrauchsgegenstände aus Glas, Metall oder anderen Materialien sind oft von erlesener Eleganz. Möbel sind reichlich mit charakteristischen und ansprechenden Exemplaren vertreten und vermitteln einen Eindruck von der Wohnkultur jener Zeit. Es ist sicher kein Zufall, daß diese Gegenstände des Kunsthandwerks einen großen Teil der Ausstellungsflächen beherrschen. Aber auch die Malerei kommt zu ihrem Recht. Hier liegt der Schwerpunkt bei der Berliner Secession und ihren führenden Vertretern Karl Hagemeister, Hans Baluschek, Walter Leistikow, Willy Jaeckel. Erst 2015 entriß eine beachtliche Sonderausstellung des Museums den vielseitigen Künstler Hans Christiansen der Vergessenheit; es waren seine Illustrationen in der „Jugend", denen die Stilrichtung in Deutschland ihren Namen verdankte. Sie war allerdings in ganz Europa verbreitet; im französischen Sprachraum wird sie als Art Nouveau bezeichnet. Auch dafür gibt es im Museum Zeugnisse. Die Pflege internationaler Kontakte hat für die Leitung einen hohen Stellenwert, der u.a. in Sonderausstellungen zum Ausdruck kam.

Bröhan hatte die Sammlung dem Publikum ursprünglich schon in seiner Privatvilla im noblen Berlin-Dahlem zugänglich gemacht. 1981 schenkte er sie dem Land Berlin, das dann das Museumsgebäude zur Verfügung stellte. Es wurde l983 durch den damaligen Regierenden Bürgermeister und späteren Bundespräsidententen Richard von Weizsäcker eröffnet. Karl-H. Bröhan wurde der erste Direktor - bis zu seinem Tode im Jahre 2000, gefolgt von seiner Ehefrau Margit (bis 2003). Die jetzige Leiterin ist Frau Dr. Ingeborg Becker.

Karl H. Bröhan und das nach ihm benannte Museum haben einen wesentlichen Anteil an der Rehabilitation einer ganzen Kunstepoche. Es gibt wahrscheinlich nicht viele Museen, die in jüngster Zeit eine so unmittelbare Wirkung auf die Meinungsbildung erzielt haben. Auch deshalb lohnt es einen Besuch.

 

*****

Fotos: Dietrich Lincke

Weitere Beiträge dieser Rubrik

Werbung
Unsere Website benutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung unserer Inhalte stimmen Sie der Verwendung zu. Akzeptieren Weitere Informationen