Berlin-Lese

Gehe zu Navigation | Seiteninhalt
Berlin-Lese
Unser Leseangebot

Frank Meyer

Es war mir ehrlich gesagt völlig egal

 „Ich ging zur Beerdigung. Denn immerhin war ich es ja, der ihn erschlagen hatte.“

Sie schlagen sich so durch — die Jungs in Frank Meyers Geschichten. Dabei lassen sie sich von weiblichen Hosenanzügen beirren, stellen ihre grenzenlose Coolness beim Moped-Trinken unter Beweis und sorgen dafür, dass der Großvater fast die Sportschau verpasst.

Herrenhaus und Abgeordnetenhaus

Herrenhaus und Abgeordnetenhaus

Dietrich Lincke

Parlamentarische Traditionen in Preußen

Der imposante Bau des Reichstags ist zwar das Hauptsymbol für die Geschichte des Parlamentarismus  in Deutschland (s. besonderen Beitrag), und er ist deshalb ein „Muß" jeder Stadtrundfahrt. Die Bundestags-abgeordneten ermöglichen in der Regel Reisegruppen aus ihrem Wahlkreis eine Besichtigung.

Bevor Berlin Hauptstadt des Deutschen Reiches und Sitz seines Reichstags  wurde (1871), war es die preußische Hauptstadt - und blieb es auch danach. Die preußische Verfassung von 1850 sah ein Zweikammer-Parlament vor. Die Mitglieder des Herrenhauses wurden nicht gewählt, sondern ererbten die Funktion (hochadlige Familien), wurden vom König ernannt oder von anderen Institutionen „präsentiert", insbesondere von den großen Städten. So wurde Konrad Adenauer, nachdem er l917 als Kölner Oberbürgermeister gewählt worden war, zum Mitglied des Herrenhauses berufen. Die Zusammensetzung dieser Körperschaft war ähnlich derjenigen, die noch heute das „House of Lords" in Großbritannien hat.

Das Herrenhaus tagte über die ersten Jahrzehnte in verschiedenen Berliner Palais, bevor der Prachtbau in der Leipziger Straße 3-4 als sein definitiver Sitz fertiggestellt wurde. Nach der Revolution übernahm ihn von 1921-1933 die republikanische Nachfolgeinstitution, der Preußische Staatsrat als Vertretung der Provinzen, unter seinem Präsidenten Konrad Adenauer. Er hatte also schon in der Weimarer Republik - was weniger bekannt ist - eine wichtige Funktion neben dem Oberbürgermeisteramt seiner Heimatstadt Köln.

In der NS- und SED-Zeit diente das repräsentative Gebäude des Herrenhauses, das im Krieg stark beschädigt worden war, nicht mehr parlamentarischen Zwecken, wurde aber repariert. Nach der Wiedervereinigung besann man sich darauf, daß dieses Bauwerk von seiner Anlage her die besten Voraussetzungen für den Sitz einer Zweiten Kammer bot. So zog hier nach aufwendigen Restaurierungs- und Modernisierungsarbeiten der Bundesrat ein. Der Bau präsentiert sich heute als eine besonders gelungene Symbiose zwischen dem großzügigen Stil seiner Entstehungszeit und den Erfordernissen eines neuzeitlichen Parlamentsbetriebs. Das wird deutlich in dem imponierenden Treppenhaus sowie der originalgetreuen Wandelhalle (Abb.3) einerseits und dem lichtdurchfluteten Plenarsaal (Abb.4) andererseits - in den alten Proportionen, aber mit moderner Ausgestaltung.

Da das Herrenhaus praktisch im Mittelpunkt Berlins steht - gleich im Anschluß an den Potsdamer und den Leipziger Platz - zieht es die Blicke auch flüchtiger Besucher auf sich und die unweigerliche Frage, was der Bau beherberge. Eine gute Adresse für den Bundesrat; sie unterstreicht die Bedeutung der Länderkammer, die ihr das Grundgesetz zugewiesen hat.

Das Herrenhaus ist Teil des großen parlamentarischen Areals hinter der Leipziger Straße bis hin zum Martin-Gropius-Bau an der südlich verlaufenden parallelen Niederkirchnerstraße. Man kann den ausgedehnten Komplex - vom Sinn, nicht von der Gestaltung her - mit den Houses of Parliament in London vergleichen. Beide Kammern sollten hier nebeneinander untergebracht werden, das Herrenhaus und im Anschluß daran das Abgeordnetenhaus.

Das preußische Abgeordnetenhaus wurde bereits 1899 eingeweiht. Es galt nach damaligem Verständnis als die zweite, die „bürgerliche" Kammer (die erste war das vornehmere Herrenhaus). Sie hatte anfangs 400 Mitglieder, zum Schluß 443. Während aber für den Reichstag gleich von Anfang an (1871) das allgemeine, gleiche Wahlrecht galt (damals sehr modern), erfolgte die Stimmabgabe für das Abgeordnetenhaus nach einem Dreiklassensystem. Maßgeblich für die Einstufung der Bürger war die steuerliche Leistung. Auch in Großbritannien war das Wahlrecht bis nach dem I. Weltkrieg  an wirtschaftliche Kriterien gebunden. In den Wahlen zum Europa-Parlament haben die Stimmen weiterhin abweichendes Gewicht je nach Mitgliedstaat. In Preußen galt auch die indirekte Wahl über „Wahlmänner" wie bis heute bei den amerikanischen Präsidentenwahlen. Das rechtfertigt das Dreiklassenwahlrecht nicht, relativiert aber etwas die Kritik daran, die schon im Kaiserreich laut wurde, besonders wegen des Unterschiedes zu den Reichstagswahlen. Gegen Ende des I. Weltkriegs wurde die Abschaffung des unbeliebten Zensussystems eingeleitet, aber die Revolution überrollte diese Entwicklung. 1918/19 wurde in Deutschland auch das allgemeine Wahlrecht für Frauen eingeführt, viel früher als bei unseren westlichen Nachbarländern.Nach der Revolution mutierte das Abgeordnetenhaus zum „Preußischen Landtag", bis das NS-Regime ihn abschaffte. Die SED brachte in dem großen Gebäudekomplex  die Staatliche Planungskommission unter. Nach der Wiedervereinigung beschloß das Berliner Abgeordnetenhaus schon l990, wieder in den Preußischen Landtag einzuziehen. Der Umbau war ein Beispiel dafür, daß große öffentliche Vorhaben in Berlin auch zügig durchgeführt werden können. Bereits 1993 bezog das Stadtparlament das traditionsreiche Domizil.

Die großzügige Anlage und Ausstattung des Preußischen Abgeordnetenhauses (bzw. Landtags) wurde, soweit möglich, liebevoll erhalten oder wiederhergestellt. Dazu gehört das sehr repräsentative Treppenhaus (Abb.5), auch das prächtige Kasino aus der Kaiserzeit, das aber für Schaulustige nicht ohne weiteres offensteht.

Besucher müssen sich mit der bescheideneren modernen Kantine zufriedengeben, die nur an den relativ seltenen Sitzungstagen (ein oder zwei Donnerstage im Monat) für das Publikum geschlossen ist. Ansonsten ist sie für „Budget-Touristen" ein guter Tipp, wegen der preisgünstigen Gerichte und der schattigen Hofterrasse. (Aber auch das Restaurant und die Gartenwirtschaft in dem gegenüberliegenden Martin-Gropius-Bau sind gemütlich und nicht überteuert; sie locken sogar Touristen an, die nicht wegen einer der dort stattfindenden hochkarätigen Ausstellungen kommen, sondern z.B. weil man auf dem großen, allerdings gebührenpflichtigen Parkplatz meist ein freies Fleckchen findet).

Was immer einen in die Nähe des preußischen Parlamentsareals führt, es ist lohnend, sich dort umzusehen. Vielleicht bringt die bloße Anschauung manches fürs eigene Geschichtsbild.

*****

Fotos: Dietrich Lincke

Weitere Beiträge dieser Rubrik

Spy Museum Berlin
von Thomas Handschel
MEHR
Märkisches Museum
von Dietrich Lincke
MEHR

Herrenhaus und Abgeordnetenhaus

Niederkirchnerstraße 5
10117 Berlin

Detailansicht / Route planen

Werbung
Unsere Website benutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung unserer Inhalte stimmen Sie der Verwendung zu. Akzeptieren Weitere Informationen