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Moderne Kunst in Berlin

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Dietrich Lincke

Beispiel: Hamburger Bahnhof

Der „Hamburger Bahnhof" vereint zwei verschiedene Anziehungspunkte: Er ist ein imposantes Gebäude aus eigenem Recht, und er beherbergt eines der bedeutendsten Museen für zeitgenössische Kunst in Europa.

1.

Der Bahnhof ist der älteste im heutigen Berlin. Er war der Anfangspunkt der Pionierlinie Berlin-Hamburg. Das eindrucksvolle klassizistische Gebäude wurde 1847 fertiggestellt. Heute könnte man es mit seinem vorgelagerten Park für ein Palais halten. Seine Hauptfunktion verlor der Bahnhof aber schon 1884, als er für den Personenverkehr stillgelegt und nur noch für den Gütertransport genutzt wurde. Die Strecke nach Hamburg wurde stattdessen vom benachbarten „Lehrter Bahnhof" bedient; er besteht aber auch nicht mehr: auf seinem Gelände wurde in jüngster Zeit der gewaltige neue Berliner Hauptbahnhof eröffnet (2006).

Das repräsentative Gebäude des Hamburger Bahnhofs brauchte nach seiner Schließung eine sinnvolle Verwendung. So wurde dort 1906 das Verkehrs- und Baumuseum eingerichtet, das allerdings im Zweiten Weltkrieg starke Schäden erlitt. Während der Teilung Berlins lag das Bahnhofsgelände zwar im Westen, unterstand aber der östlichen Reichsbahn. Diese vernachlässigte es, da sie dort kein vom Westen her zugängliches, vom Osten aber abgeschnittenes Museum haben wollte. Die wertvollsten Ausstellungsstücke wurden in das Verkehrsmuseum Dresden gebracht, und der „Hamburger Bahnhof" versank in einen Dornröschenschlaf. Auch nach der Wiedervereinigung fehlte ihm eine geeignete Zweckbestimmung; denn in der Zwischenzeit war in West-Berlin das Deutsche Technikmuseum geschaffen worden, das auch das Verkehrswesen erfaßt (s.Beitrag der Berlin-Lese).

2.

Die zweite Suche nach einem Verwendungszweck für den Hamburger Bahnhof erbrachte die Idee, dort ein „Museum für Gegenwart" einzurichten. Berlin hat stattliche Sammlungen der modernen Kunst, die allerdings über verschiedene, weit auseinanderliegende Gebäude verstreut sind. Schwerpunkt ist die Neue Nationalgalerie am Kulturforum, ein Meisterwerk des berühmten Architekten Mies van der Rohe (1886-1969), das 1968 fertiggestellt wurde. Das Gebäude war als Domizil für die großen Maler des ausgehenden 19. und des 20. Jahrhunderts bestimmt. Seit Anfang 2015 ist es aber zur Sanierung bis - voraussichtlich - 2020 geschlossen. Mit dieser Aufgabe wurde der britische Architekt Sir David Chipperfield betraut, der schon das Konzept für den Wiederaufbau der Museumsinsel geliefert hat.

Die Bestände der Neuen Nationalgalerie sollen während der Sanierungszeit nach Möglichkeit andernorts ausgestellt werden. Ein Teil wird auch in den Hamburger Bahnhof kommen.

Bisher war die ungefähre Trennungslinie zwischen dem Hauptbau der Nationalgalerie und dem Hamburger Bahnhof für die eine das ausgehende 19. Jahrhundert sowie das 20. bis ca. 1960 und für den anderen die Zeit danach. Aber auch der rechtliche Status der Bestände ist unterschiedlich. Anders als die Nationalgalerie war das Museum für Gegenwart von Anfang an für die Präsentation von Sammlungen gedacht, die von privaten Mäzenen als Leihgaben - permanent oder auch zeitweilig - oder sogar als Geschenk zur Verfügung gestellt werden. Die Museumsleitung ist flexibel und bemüht, den Wünschen der Sammler zu entsprechen, um die Kunstwerke in ihre Hallen zu bekommen. Daneben erwirbt auch die Stiftung des Vereins der Freunde der Nationalgalerie Objekte der zeitgenössischen Kunst für den Hamburger Bahnhof.

Die Entscheidung, das Museum für Gegenwart in dem altehrwürdigen Bahnhof einzurichten, wurde sogar von einem Mäzen angestoßen, dem Unternehmer Dr. Erich Marx (er war Gründer einer Bauträgergesellschaft, die insbesondere Wohnungen geschaffen, Hotels und Kliniken errichtet und betrieben hat ). Seit den 1960er Jahren hat er mit großem Gespür zeitgenössische Kunstwerke erworben. Die Möglichkeit, diese umfangreiche Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, war ein Beweggrund für den Berliner Senat, den Hamburger Bahnhof für solche Zwecke herzurichten. Dort sind nun Werke von Beuys, Kiefer, Rauschenberg, Twombly, Warhol aus der Sammlung Marx zu bewundern, von Warhol z. B. ein Selbstbildnis und ein keineswegs idealisierendes Porträt von Mao Tse Tung.

Andere wertvolle Sammlungen im Hamburger Bahnhof sind die des Berliner Kunstmäzens Egidio Marzona, der einer deutsch-italienischen Bauunternehmerfamilie entstammt, und von Friedrich Christian Flick, dem Enkel des bekannten deutschen Großindustriellen Friedrich Flick (1883-1972).

Diesen Mäzenen war gemeinsam, daß sie frühzeitig erkannt hatten, welches Potential in den von ihnen geförderten Kunstrichtungen und Künstlern steckte. Der Stadt Berlin kommt zugute, daß die Sammlungen hier in einem attraktiven Ausstellungsgebäude und vor einem aufgeschlossenen Publikum präsentiert werden können. Der Hamburger Bahnhof verfügt über 10.000 qm Ausstellungsfläche, und sie wird großzügig genutzt, wenn nicht gerade Umbauten anstehen. Die Museumsleitung zeigt meistens nur Teile der umfangreichen Bestände. Dadurch wirken die Ausstellungen nicht überladen, und die einzelnen Kunstwerke kommen voll zur Geltung.

3.

Weitere bedeutende Sammlungen der modernen Kunst sind außerhalb des Hamburger Bahnhofs untergebracht. Dazu gehört das Lebenswerk des prominenten Kunstkenners und -händlers Heinz Berggruen (1914-2007), der 1936 aus Deutschland emigrieren mußte und danach in den USA, später in Frankreich lebte. Als Geste der Aussöhnung überließ er Deutschland 1996 seine überragende Sammlung als Leihgabe, bis der Bund und das Land Berlin sie 2000 für 253 Millionen DM erwerben konnten (der Preis galt als „symbolisch", da man den Wert damals schon auf das Sechsfache schätzte). Die kostbare Sammlung ist in einem eigenen Haus untergebracht, einer der beiden klassizistischen Villen gegenüber dem Charlottenburger Schloß, die Mitte des 19.Jahrhunderts von dem berühmten Architekten Stüler erbaut wurden. Zu den Attraktionen des Museums gehören u.a. Werke von Picasso, Klee und Matisse. An den großen Mäzen und gebürtigen Berliner erinnern der Name des „Berggruen Museums", welches - auch mit Mitteln seiner Familie - noch weiter ausgebaut wird, und sein Ehrengrab auf dem Dahlemer Waldfriedhof, das ihm das Land Berlin gewidmet hat.

Die große private Kunstsammlung des Berliner Ehepaars Pietzsch beschäftigt ebenfalls die Öffentlichkeit. Sie legten Wert darauf, daß die Kunstwerke der Öffentlichkeit in einem angemessenen Rahmen gezeigt werden. Nunmehr scheinen die Voraussetzungen geschaffen: Ende 2014 hat der Haushaltsausschuß des Bundestags der Bereitstellung von 200 Millionen Euro für den Bau eines neuen Museums der Moderne zugestimmt. Das Land Berlin muß ein geeignetes Grundstück beisteuern. Die Erwartung ist, daß das Gebäude neben dem Hauptbau der Neuen Nationalgalerie auf dem Kulturforum errichtet werden kann.

So bleibt die Berliner Museumslandschaft ständig im Fluß, und die Kunstschätze wandern oft mit, von einem Museumsbau in den nächsten.

*****

Fotos: Dietrich Lncke

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