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Arno Pielenz
Kennst du Heinrich von Kleist?

"... mein Leben, das allerqualvollste, das ein Mensch je geführt hat." So schrieb Heinrich von Kleist an eine seinem Herzen nahe stehende Verwandte wenige Stunden, bevor er sich mit seiner Todesgefährtin am Wannsee erschoss.

Bitte eines königlichen Sekretarius

Bitte eines königlichen Sekretarius

Adolf Glassbrenner

Großmächtigster Monarch!

Ich rechne Tag und Nacht und quäle mich mit Brüchen;
Doch ist vom Monat kaum die Hälfte noch verstrichen,
so ist der vierte Teil vom hundert schon verzehrt,
da doch so Frau und Magd fast täglich Geld begehrt.
Wo nehm ich dieses her?
Ich fürchte mich, zu borgen;
indessen soll ich doch das ganze Haus versorgen.
Ich teile, wie ich will, 300 Taler ein:
so will mein Traktament doch nicht hinlänglich sein.
Vor vierzig Taler Holz, damit ich nicht verfriere,
zwei Taler wöchentlich zu Kaffee, Wein und Biere. -
Vor Butter, Fleisch und Brot,
vor Grütze, Salz und Licht, setz ich vier Gulden an;
sie reichen öfters nicht. - Vor Knaster und Spaniol,
vor Zucker und für Tee, Perücken, Wäscherlohn,
vor Hemde, Strumpf und Schuh, vier Taler, den Barbier;
wo aber bleibt der Schneider?
Ich nehme monatlich zwei Taler nur auf Kleider:
doch leider dieses macht vierhundert Taler aus,
und dennoch habe ich noch vieles nicht im Haus!
Was kosten Band und Spitzen!
Was Adriennes Schmuck, Pantoffeln, Hauben, Mützen!
Was kostet nicht der Domino, mit Spitzen ausgezieret,
wenn man sie Winterszeit nach der Redouten führet!
Und wenn man Sommerszeit in einen Garten fährt,
so sind sechs Groschen bald verzehrt.
Wie ofte muss man nicht allhier zur Hochzeit gehen,
wie ofte muss man nicht auch zu Gevatter stehen,
und lässt man öfter gar den eignen Zuwachs taufen,
so muss man alsobald mit Geld zur Kirche laufen.
Was kostet Kinderzeug,
was kostet Ammenlohn!
Stirbt etwa gar der kleine Sohn,
so wird man nimmermehr das Kind umsonst begraben.
Warum? Die Kirche will zuvor das Ihre haben.
Kurz, es kostet alles Geld.
Und eh ich's recht bedacht,
war mir die Kasse leer gemacht.
Wie kann nun in ein Jahr dreihundert Taler reichen?
Darum, o großer König,
lass Dich mein Wort erweichen,
setz hundert Taler zu!
Bekomm ich nur ein Blatt,
das deine Gnadenhand selbst unterzeichnet hat,
so ist mein Wunsch erhört.
Ich sterb in tiefstem Danke,
mein König, Fürst und Herr.

Dein pflichtverbundener Hanke.

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Von G.J. Langenscheidt, 1769
Quelle: Berlin, ein Heimatbuch, Verlag Friedrich Brandstetter, Leipzig 1925

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