1. Die Bundesrepublik Deutschland und Indonesien nahmen schon 1952 diplomatische Beziehungen auf. Deutschland hatte seine Souveränität noch nicht wiedererlangt und Indonesien seine Unabhängigkeit erst wenige Jahre zuvor erreicht. In Bonn wechselte die Botschaft mehrmals ihren Dienstsitz, und als sie nach Berlin übersiedelte, fand man zunächst eine pragmatische Lösung: die Botschaft bezog ein mehrstöckiges Gebäude im Bezirk Tiergarten, nicht weit vom Hauptbahnhof (Lehrter Straße 16/17), das sich in eine typische Zeile von Berliner Miethäusern einreiht. Das Domizil wirkt ordentlich und zweckmäßig, aber nicht spektakulär, jedenfalls in keiner Weise exotisch, wie es vielleicht der Besucher erwartet, der sich dort z.B. in der Konsularabteilung ein Visum abholen will. (Seit kurzem kann man als Deutscher allerdings das Land bis zu 30 Tagen ohne Visum besuchen, wenn man einen Reisepass vorweist, der mindestens noch ein halbes Jahr gültig ist). Das Ambiente des Bürogebäudes wird ein bisschen dadurch mitgeprägt, dass sich direkt nebenan ein Jugendhotel befindet. Es zieht natürlich Rucksacktouristen an, so wie sie heute durchaus nach Indonesien streben. Daneben gibt es aber seit langem einen gehobenen Tourismus - nicht nur nach Bali. Ich beschloss, mich in die zweite Kategorie für meinen Besuch in dem Land im September/Oktober 2016 einzureihen. Für mich war es Neuland, abgesehen von einer Stippvisite im September 1955 – auf einem Passagierschiff, das auf der Route von Genua nach Australien mehrere Tage im Hafen Jakarta anlegte. Jener Besuch war kurz, aber aufschlussreich. Dazu trug bei, dass sich an Bord eine ganze Reihe von Indonesiern befand, die damals schon in Deutschland studiert hatten. Bis zu meinem Wiedersehenmit dem Land sollten dann allerdings 60 Jahre vergehen.
Immerhin hat „Ostindien“ schon seit 500 Jahren die Phantasie der Europäer, auch der Deutschen, beflügelt. Die Bezeichnung Indonesien für den Archipel bürgerte sich erst seit dem 19. Jh. ein. Vorher nannte man ihn „Insulinde“, später „Niederländisch Indien“. Heute ist daraus – gemessen an der Bevölkerungszahl (ca. 254 Mio Einwohner) – das viertgrößte Land der Welt geworden (nach China, Indien und den USA), und es ist auch der Staat, der weltweit die meisten Muslime beherbergt (87% der Bevölkerung). Entsprechend diesem Gewicht Indonesiens ist Großes für seine Vertretung in Berlin geplant; sie soll ihr endgültiges Domizil im Zentrum des klassischen Berliner Diplomatenviertels erhalten (Tiergartenstr. 28, neben der imponierenden Japanischen Vertretung). So hatte die Botschaft die originelle Idee, den 71. Nationalfeiertag 2016 (Verkündung der Unabhängigkeit am 17. August 1945) mit einer Garden Party auf dem noch unbebauten Grundstück zu feiern. Die landestypische Atmosphäre wurde durch kulturelle Darbietungen geschaffen, z.B. Aufführungen des balinesischen Tanzes Belibis und der traditionellen Gamelan-Musik. Sie ist ein uraltes Erbe ebenso wie das Schatten-Puppentheater auf Java (s. Fotos).
Der Indonesische Botschafter nutzte den Empfang, um den Gästen offiziell zu verkünden, dass auf dem Gelände das künftige Amtsgebäude des Landes errichtet wird: die starken bilateralen Beziehungen würden durch eine entsprechende, repräsentative Vertretung im Gastland zum Ausdruck gebracht, deshalb auch die Wahl der prestigereichen Adresse. Damit wolle Indonesien seine Entschlossenheit bekunden, die Zusammenarbeit mit Deutschland weiter voranzubringen. Diese Zielsetzung wurde bereits durch hochrangige Staatsbesuche in beiden Richtungen immer wieder bekundet: in den letzten Jahren Bundespräsident Wulff 2011, Bundeskanzlerin Merkel 2012, Bundestagspräsident Lammert 2015, die Außenminister Westerwelle (2013) und Steinmeier (2014) ; die indonesischen Staatspräsidenten Yudhyono (2013) und Widolo (2016). Die traditionell intensiven kulturellen Kontakte und die erheblichen Beiträge der deutschen Entwicklungshilfe haben das sympathiegetragene politische Verhältnis zwischen beiden Ländern konstant gefördert. Handel und Investitionen haben dadurch immer wieder positive Anstöße erhalten; doch bieten das weltweite und das jeweilige regionale Gewicht beider Staaten noch erheblichen Spielraum für den weiteren Ausbau.
Um das Potential des indonesischen Großraumes voll einzuschätzen, lohnt ein Blick auf seine geologischen, geografischen und historischen Gegebenheiten.
2. Die heutige Gestalt des Archipels ist geologisch jung. Bis zur Eiszeit bestand eine Landbrücke zwischen Indien und Australien in diesem Raum. Durch gewaltige Verwerfungen schob sich die indisch-australische Kontinentalplatte unter die noch viel gewaltigere asiatische. Weite Festlandgebiete versanken – bis auf die Inseln – im Meer. Solche kontinentalen Erdplatten sind gekennzeichnet durch tiefe Gräben im Meer (östlich von Japan, westlich des amerikanischen Kontinents, ebenso der Sundagraben westlich von Sumatra und Java, der fast 7,5 km Tiefe erreicht). Dies ist der Resonanzboden für die gefürchteten Erd- und Seebeben und die dadurch verursachten Tsunamis. Wegen der geologischen Bruchstelle ist diese Weltgegend zugleich ein Zentrum vulkanischer Tätigkeit, und Indonesien hat immer wieder darunter zu leiden. Das Land zählt 130 potentiell gefährliche Vulkane. Drei gewaltige Eruptionen in dieser Region erschütterten die Menschheit in der neueren Geschichte ganz besonders: der Ausbruch des Tambora auf einer Insel westlich von Bali (1815), der Ausbruch des Krakatau (1883) auf einer Insel zwischen Sumatra und Java, der über 36.000 Menschenleben forderte; der Tsunami von Aceh (Weihnachten 2004), der 170.000 Menschen das Leben kostete, vor allem in Aceh (Nordsumatra), aber darüber hinaus in 14 Anrainerstaaten des Indischen Ozeans. Derartige Katastrophen haben über die unmittelbar betroffenen Länder hinaus Auswirkungen. Sie können weltweit das Klima verändern: Aschenregen verfinstern die Sonne. Aber zumindest die Verluste an Menschenleben lassen sich durch Vorbeugung erheblich mindern. Große Hoffnungen werden auf Frühwarnsysteme gesetzt. Seit der Katastrophe von Aceh haben sich die Vereinten Nationen dieser Thematik angenommen. Deutsche und indonesische Wissenschaftler und Techniker arbeiten auf dem Gebiet ohnehin intensiv zusammen.
3. So sehr sich die Stärke der Naturgewalten – glücklicherweise in längeren Abständen – manifestiert, so sind für das Bild Indonesiens doch andere Faktoren ausschlaggebend: die immense Ausdehnung und Vielfältigkeit des geografischen Raumes, den es ausfüllt. Es verfügt über fast 2 Mio km² Landmasse (genau: 1.913.000 km²). Hinzu kommen 3,3 Mio km² Meeresfläche, in der Indonesien Souveränitätsrechte beanspruchen kann. Der Archipel wird vom Äquator durchquert. Er besteht aus den Großen Sundainseln: 1. Borneo: der nördliche Teil gehört zwar zu Malaysia und zu dem kleinen, aber erdölreichen Sultanat Brunei; aber die verbleibenden 73% stellen mit über 0,5 Mio km² noch immer die größte Inselfläche in Indonesien dar. Es folgen (2.) Sumatra (0,5 Mio km²), 3. Sulawesi/Celebes(0,175 Mio km²) und dann erst (4.) das weitaus am dichtesten besiedelte Java (0,15Mio km², aber 145 Mio Einwohner, d.h. 967 pro km²) ( zum Vergleich: Deutschland 226); es ist damit die am dichtesten bevölkerte große Insel der Welt. An Java schließen sich östlich die Kleinen Sundainseln an, von Bali bis Timor, das allerdings nur zur Hälfte zu Indonesien gehört. Ost-Timor ist unabhängig. Ähnlich verhält es sich bei dem wesentlich größeren Papua (Neu Guinea), dessen westliche Hälfte indonesisch ist. Dazwischen liegen weitere Inseln wie die Molukken, der Kernbereich der früher so genannten Gewürzinseln. Insgesamt gehören etwa 17.000 Inseln zu Indonesien, von denen mindestens 900 ständig bewohnt sind. (Man findet aber stark abweichende Zahlenangaben. In manchen Fällen ist wahrscheinlich die Abgrenzung zwischen großem Riff und kleiner Insel in der Tat schwierig.)
Bei der riesigen Ausdehnung des Gebiets, der Abgeschiedenheit und Zerklüftung vieler Inselnliegt auf der Hand, wie unterschiedlich die kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung der Bewohner verlaufen musste. Fachleute sprechen von 300 verschiedenen Kulturräumen. Auch über die hunderte von Sprachen finden sich stark abweichende Angaben. Die meisten sind dem malaiisch-polynesischen Sprachraum zuzuordnen, der sich bis über die Südsee erstreckt. Sie sind oft nur ganz entfernt verwandt. Sicherlich ein unerschöpfliches Betätigungsfeld für Ethnologen!
Die kulturelle Einordnung reicht von hochentwickelten Gesellschaften und Staatsbildungen wie auf Java und Sumatra zu abgeschiedenen Stämmen, die teilweise bis ins 20. Jh. Kopfjäger waren (im Inneren Borneos und Neu Guineas).
4. Wenn man die historischen Wurzeln des heutigen Indonesien sucht, muss man sich auf die erfassbare Geschichte des Raumes konzentrieren, also auf Java mit Nebeninseln, Sumatra, aber auch auf die Halbinsel Malakka, die heute zu Malaysia gehört. Diese Gebiete waren, zumindest in den Küstenregionen, nach außen offen und zugänglich. Die entscheidenden Anstöße kamen stets übers Meer. Diese Inselwelt liegt auf dem See-und Handelsweg zwischen China und Indien und darüber hinaus in den Nahen Osten und schließlich nach Europa. Die Seefahrt wurde begünstigt durch die Monsunwinde, welche die Schiffe im Sommer (April bis September) von West nach Ost und im Winter (Oktober bis April) von Ost nach West bringen.
Mindestens seit Beginn unserer Zeitrechnung gelangten regelmäßig von weither Schiffe in die naturbegünstigten Häfen der Insulinde. Schlüsselpositionen hatten insbesondere die Meerengen: zwischen Sumatra und Malakka (Malakka-Straße) sowie zwischen Sumatra und Java (Sunda-Straße). Davon zeugen in unserer Zeit die Städte Singapur und Jakarta.
5. Über Schifffahrt und Handel kamen nicht nur Waren, sondern auch Ideen nach Sumatra und Java und auf die benachbarten Inseln. Seit Anfang unserer Zeitrechnung lassen sich die Einflüsse des Hinduismus in der Insulinde nachweisen, und der Buddhismus (in Indien seit 563 v.Chr.) kam weitgehend parallel ins Land. Vom 6. Bis 13. Jh. n. Chr. bildete sich auf Sumatra ein Indisch geprägter Staat:die beachtliche Seemacht Srivijaya. Auf Java entstanden in der Nähe von Yogyakarta die größte buddhistische Tempelanlage der Welt Borobudur (750-850) und wenig später (Mitte des 9. Jh.) der hinduistische Tempelkomplex Prambanan, wohl der bedeutendste seiner Art. Sie sind Zeugnisse eines friedlichen Wettstreites beider Religionen. Bis Mitte des 15. Jh. bildeten sich verschiedene Hindureiche auf Java, die vorübergehend erhebliche Macht auf sich vereinten.
In der Zwischenzeit aber hatte der Handel zwischen der Insulinde und den arabischen Ländern – mit den begehrten Gewürzen – eine bedeutende „Nebenwirkung“: der Islam breitete sich aus. Den Anfang machte der Norden Sumatras (Aceh) im 13. Jh.. Im 15. Jh. folgten – friedlich, im Gefolge der arabischen Kaufleute – Brückenköpfe auf Java, bis dort schließlich 1478 das neuentstandene Sultanat Demak die Hindureiche in Ost- und West- Java besiegte. Der Hinduismus hielt sich jedoch auf der kleineren Nachbarinsel Bali – und zwar bis heute.
Der Islam war also in der Insulinde nur wenige Jahre heimisch geworden, bevor die Europäer auftauchten, die Handel und Christentum bringen wollten.
Seit langem war Indien das Ziel der Phantasien und Begehrlichkeiten Europas gewesen. Ende des 13. Jh. hatte der Italiener Marco Polo durch seine wagemutigen Expeditionen nach China und in andere asiatische Länder Informationen gesammelt und verbreitet, dadurch Phantasien und Neugier geweckt. Man wusste, welche extrem hohen Gewinne das Geschäft mit den Gewürzen aus dem Orient versprach. Der Handel wurde über den Nahen Osten und das Mittelmeer abgewickelt, besonders über die mächtigen Hafenstädte Venedig und Genua, deren Glanz und Reichtum darauf beruhten. Das verlockte dazu, den arabischen und mediterranen Zwischenhandel zu umgehen und einen direkten Seeweg nach Indien zu suchen. Zuerst bahnten sich die Portugiesen den Weg dorthin um Afrika herum, unter Führung des königlichen Prinzen Heinrich der Seefahrer. Vasco da Gama gelang 1498 als erstem die Seereise nach Indien. Von dort aus eroberten die Portugiesen das Sultanat Malakka, das eine beherrschende Stellung an der Meerenge innehatte, und gründeten dann weitere Stützpunkte auf den Gewürzinseln. Im 16. Jh. behielten sie den lukrativen Handel gut im Griff, obwohl in der Zwischenzeit auch ihre damaligen Konkurrenten, die Spanier, aufgetaucht waren: dem Entdecker Magellan war es bis 1519 gelungen, vom Westen her den amerikanischen Kontinent zu umrunden und über den Pazifik die Philippinen zu erreichen. 1565-71 eroberte Spanien diese Inselgruppe und setzte sich dort fest, bis die USA ihnen die Kolonien 1898 in einem kurzen Krieg abnahmen.
Spanien war nie eine wirkliche Bedrohung für das portugiesische Monopol geworden, wohl aber die Niederlande, genauer gesagt die Vereenigte Ostindische Companie (VOC), gegründet 1602. Die Holländer hatten schon 1601 in der Seeschlacht von Banten (im Norden Javas) die Portugiesen geschlagen und ihren ersten Stützpunkt errichtet. 1619 gründete dort die VOC ihr Zentrum Batavia, das heute (wieder) den Namen Jakarta trägt. Die VOC dehnte allmählich ihre Macht von ersten Stützpunkten weiter aus, gliederte neue Gebiete an, brachte einheimische Fürsten freiwillig oder durch Zwang unter ihre Oberhoheit, verwaltete die Gebiete zuerst recht, d.h. gewinnbringend, dann schlecht, d.h. verlustreich wegen einer immer mehr um sich greifenden Korruption und ständiger Kämpfe mit einheimischen Kräften, die sich gegen den Kolonialstatus wehrten. 1799 ging die VOC in Konkurs, und die von ihr beherrschten Gebiete wurden zu einer staatlichen Kolonie der Niederlande („Niederländisch Ostindien“). Die Niederlande waren nach der Französischen Revolution selbst ein Sattelitenstaat Frankreichs geworden, bis Napoleon sie 1811 vollends schluckte. Dies war die Chance für die Briten, die Insulinde (wie andere holländische Kolonien in der Welt) zu übernehmen. Sie setzten den äußerst fähigen Gouverneur Stanford Raffles (1811-1815) ein, der in der kurzen Phase für Java mehr bewirkte als die Niederlande in einer langen Zeitspanne.
Auf dem Wiener Kongress 1814/15 beschlossen die versammelten Mächte, das Inselreich an die Niederlande zurückzugeben, während die Briten zahlreiche andere Gebiete in aller Welt behalten durften (z.B. das Kapland).
In Niederländisch-Indien setzte nun bald eine Periode schonungsloser Ausnutzung ein. Die Bauern wurden gezwungen, Export-Produkte (Gewürz, Zucker, Kaffee, Tee u.a.) anzubauen; die Gewinne wurden von der Kolonialmacht mittels rigoroser Besteuerung abgeschöpft. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. wurde die Plantagenwirtschaft eingeführt. 1883 begann die Förderung des Erdöls durch die Royal Dutch Shell Co.
Dabei rissen die bewaffneten Konflikte zur Eingliederung weiterer Territorien nicht ab. Insbesondere ein langer Krieg gegen das Sultanat Aceh in Nord-Sumatra, die schrittweise Eroberung Balis (beide Aktionen dauerten bis ins 20. Jahrhundert). 1908 verübte der Hofstaat eines besiegten Fürsten auf Bali aus Verzweiflung geschlossen Selbstmord. Das erregte weltweit Aufsehen, nicht nur in den Niederlanden.
Ende des 19. Jh. hatte allmählich ein Umdenken in der holländischen Öffentlichkeit eingesetzt. Es führte nach 1900 zum Beginn einer Auflockerung der Kolonialherrschaft. Diese neue sogenannte „ethische Politik“ räumte der einheimischen Bevölkerung Ansätze einer Vertretung ein und verbesserte ihre Bildungsmöglichkeiten. Die vorsichtigen Zugeständnisse waren allerdings auch der Auftakt für die moderne Unabhängigkeitsbewegung, die nun den Namen „Indonesien“ aufgriff und sich 1927/28 als Nationale Partei Indonesiens formierte. Sie wurde von den Holländern streng unter Kontrolle gehalten. Die beiden führenden Köpfe waren Sukarno und Hatta, die nach der Unabhängigkeit Präsident und Vizepräsident des Landes wurden. Die entscheidende Grundlage der neuen Partei wurde auf einem Kongress junger Nationalisten aus dem gesamten Inselreich geschaffen. Das Motto war: „ein Land, eine Nation, eine Sprache“. Die Initiatoren, an der Spitze Sukarno, hatten erkannt, wie wichtig es für die politisch, religiös, kulturell und auch sprachlich stark aufgesplitterte Bevölkerung war, eine gemeinsame Sprache zu bekommen. In Indien war es das Englische geworden; in Indonesien kam das Holländische, schon mangels Verbreitung, dafür gar nicht in Betracht. Dagegen hatte in Indonesien, sogar schon vor der Kolonialzeit, das Malaiische, zumindest unter Händlern, als Verkehrssprache eine erhebliche Rolle gespielt; Muttersprache war es nur in Teilen des Nordens. Es ist abgeschliffen und leicht zu lernen. So wurde es als künftige Landessprache (Bahasa Indonesia) (ausgewählt, und das sollte sich als zukunftsträchtig erweisen. Es wird heute fast im gesamten Inselreich gesprochen.
Die Unabhängigkeit kam durch den Zweiten Weltkrieg schneller zustande als erwartet. Nach dem Einmarsch Hitlers in den Niederlanden blieb die Kolonialverwaltung zunächst im Amt und versäumte es nicht, die meisten dort lebenden Deutschen zu internieren. Die Japaner schlugen nach ihrem Kriegseintritt (durch den Angriff auf Pearl Harbour) auch die britische Flotte bei Singapur und besetzten anschließend Indonesien. Dies war zunächst keine Befreiung, sondern ein Herrschaftswechsel. Die Japaner brauchten dringend die Rohstoffe und Agrarerzeugnisse des Landes. Besonders galt dies für die Erdölvorkommen. Sukarno und Hatta arbeiteten trotzdem pragmatisch mit den neuen Besatzern zusammen, weil sie sich davon Fortschritte auf dem Weg zur Unabhängigkeit versprachen. Je mehr die Japaner selbst in Bedrängnis gerieten, desto mehr waren sie zu Zugeständnissen bereit. Am 6. und 9. August 1945 fielen die amerikanischen Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. Für den 9. August hatten die Japaner Sukarno und Hatta zur Beratung über die Machtübergabe in ihr Hauptquartier in Saigon/Vietnam eingeladen.Am 15.08. kapitulierte Japan, und am 17.08.1945 rief die Indonesische Nationalbewegung die Unabhängigkeit aus. Holland erklärte sogleich, dass es diesen Schritt nicht anerkenne. Zunächst übernahmen die Briten militärisch die Kontrolle und besiegten die Armee der Nationalbewegung, die dank japanischer „Entwicklungshilfe“ schon ins Leben gerufen war. Nach getaner Arbeit übergaben die Briten 1946 wieder an die Holländer. Diese brachten das Inselreich erneut weitgehend unter ihre Kontrolle – bis auf Teile Javas und Sumatras. Hier konzentrierte sich die einheimische Gegenwehr vor allem auf Yogyakarta im Zentrum Javas, wo Sultan Hamengku Buwono IX. den Widerstand sammelte. Deshalb behielten er (und seine Nachfolger) als einzige unter den vielen Fürsten ihre Funktion und einen Sonderstatus für ihr Gebiet in der Republik Indonesien.
Der Kampf, der zunehmend zu einem Guerillakrieg wurde, dauerte noch bis Ende 1949. Die Holländer sprachen von „Polizeiaktionen“, die teilweise sehr blutig verliefen. Aber politisch wurde ihre Position unhaltbar, nachdem Großbritannien Indien (1947) und die USA die Philippinen (schon 1946) in die Freiheit entlassen hatten. Die Komplikationen in den ehemaligen französischen Kolonialgebieten Indochinas dauerten allerdings länger (Vietnamkrieg bis 1975). Das ist Indonesien jedenfalls erspart geblieben, nachdem die Niederlande am 27.12.1949 seine Unabhängigkeit bestätigt haben, die damit auch International abgesichert war.
Aber das bedeutete noch lange nicht, dass die Wehen der Staatsbildung beendet waren. Auf entfernteren Inseln gab es starke Kräfte, die ihrerseits vom Kernland unabhängig sein wollten: etwa auf Ambon und Südborneo (viele Christen), Aceh (orthodoxe Muslime) praktisch bis zu dem schrecklichen Tsunami, der die Region 2004 heimsuchte. Andere Probleme entstanden aus der Angliederung von West-Papua und der gescheiterten Annexion von Ost-Timor. Inzwischen scheint die Einheit des Landes nicht mehr gefährdet zu sein.
6. Der erste Präsident Indonesiens Sukarno (1945 – 1966) wird vom Volk als Staatsgründer angesehen, der in den ersten Jahren die entscheidenden Grundlagen geschaffen hat. Besonders wichtig war die gelungene Verbreitung der Landessprache Bahata Indonesia, die er durch den raschen Aufbau eines eigenen Schulsystems vorangetrieben hat. Daneben werden die traditionsreichen regionalen Sprachen wie z.B. das Javanische jedoch weiterhin gesprochen und gepflegt (auch als Träger des kulturellen Erbes). Sukarno musste dem neu entstehenden Staat darüber hinaus eine geistige Grundlage geben. Sie beruht auf 5 Säulen („Pancasila“), die in der Verfassung von 1945 verankert sind. Ähnlich wie unser Grundgesetz war sie als Provisorium gedacht, gilt aber bis heute fort. Die 5 Prinzipien der Pancasila, die auch im Staatswappen, dem Vogel Garuda, symbolisiert werden, sind: Glaube an den einen allmächtigen Gott, Humanität, nationale Einheit, Konsensdemokratie und soziale Gerechtigkeit. Auf dieser Grundlage werden 5 Religionen anerkannt: der Islam (87%), das Christentum, aufgegliedert nach Protestanten (7%) und Katholiken (3%), der Buddhismus (1%), der Hinduismus (2%), letzterer durch einen Kunstgriff, indem man auf das oberste göttliche Prinzip zurückgreift, das über dem Dreigestirn der höchsten Götter steht.
Schwieriger war der Spagat zwischen den Religionen und dem Sozialismus. Indonesien hatte nach China und Russland die stärkste KP (3 Mio Mitglieder), bevor diese 1965 verboten wurde, obwohl Sukarno gegen Ende seiner Regierungszeit Sympathien für sie hatte. Soviel der Staatsgründer durch seine Vorarbeiten und sein Charisma für den Zusammenhalt der Nation getan hat – die Wirtschaft der einst ertragreichen holländischen Kolonie bekam er nicht gut in den Griff, abgesehen von der Phase des „Korea-Booms“ Anfang der 1950er Jahre. Dieses Manko versuchte er durch außenpolitische Aktivitäten auszugleichen. Als ich 1955 nach Jakarta kam, hing die Stadt noch voller Spruchbänder der kurz vorher beendeten Bandung-Konferenz, auf der es Sukarno gelungen war, alle wichtigen Führer aus Asien und Afrika zu versammeln, wie Nehru von Indien, Nasser von Ägypten. Dies war der Ursprung der Blockfreien-Bewegung, der „Dritten Welt“. Die Mitglieder trachteten jahrzehntelang danach, von Ost und West das Beste zu bekommen, vor allem natürlich an Entwicklungshilfe. Sukarno versuchte darüber hinaus, äußere Erfolge durch Gebietserweiterung zu erzielen. So hatten die Niederlande sich ihre Kolonialherrschaft im westlichen Neuguinea vorbehalten. Darin waren sie vom dünn besiedelten Australien unterstützt worden, weil es sich den Puffer zum bevölkerungsreichen Indonesien erhalten wollte. Erst 1963 gelang es Sukarno, diese Besitzung zu übernehmen. Sie ist rohstoffreich, hat aber ethnisch und historisch wenig Gemeinsamkeiten mit Indonesien. So sind die Schwierigkeiten der „Eingemeindung“ bis heute nicht voll überwunden. 1963 wollte Sukarno auch nicht hinnehmen, dass die beiden Fürstentümer Sabah und Sarawak im Norden Borneos von Großbritannien in die Unabhängigkeit entlassen wurden, um sich dann wie vorher vereinbart Malaysia anzuschließen. Sukarno unterstrich seine Ambitionen, die Gebiete seinerseits zu vereinnahmen, durch militärische Manöver. Großbritannien und Australien ergriffen wirksam Partei für Malaysia, und der Versuch Indonesiens scheiterte. Diese Vorgänge belasteten die Beziehungen zum Westen und veranlassten Sukarno, sich dem China Mao Tse Tungs anzunähern.
Deswegen braute sich auch innenpolitischer Ärger für ihn zusammen. Große Teile des Militärs sahen die Annäherung an China mit Unbehagen. Zudem fürchtete man, dass die starke chinesische Minderheit (damals über ½ Mio, vorwiegend in Jakarta) trotz ihres Wohlstands die Rolle einer 5. Kolonne für Rot-China spielen werde. 1965 kam es zur Explosion, ausgelöst durch einen Putschversuch linksgerichteter Offiziere im Einvernehmen mit der Kommunistischen Partei. Die Rädelsführer ermordeten 6 Spitzengeneräle. Der Generalstabschef entkam verletzt und erteilte General Suharto, einem aufstrebenden General und Kriegshelden des Unabhängigkeitskampfes, die Vollmacht, die Ordnung im Lande wiederherzustellen.Der Putschversuch löste eine verheerende Gegenreaktion aus, die nicht zu bremsen war, jedenfalls nicht gebremst wurde. Sie führte zu einer Hexenjagd, sowohl auf Kommunisten wie auf ethnische Chinesen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Erfolge, aber auch als vermeintliche 5. Kolonne verhasst waren. Die Zahl der Opfer ging in die Hunderttausende; die Angaben schwanken. General Suharto nahm das Staatsoberhaupt unter seinen „Schutz“ und stellte schließlich die Ordnung wieder her. Sukarno versuchte vergeblich, sich gegen seinen Abgang zu stemmen. 1966 gelang es Suharto, den Noch-Präsidenten zu „bewegen“, ihm weitreichende Vollmachten, d.h. die Macht zu übertragen.
Das Liebäugeln Indonesiens mit China war nun rigoros beendet. Die KP wurde verboten – bis heute.
7. Suharto hielt sich 33 Jahre an der Macht (bis 1998). Er steuerte einen prowestlichen Kurs. Innenpolitisch stützte er sich auf das Militär, aber durch wirtschaftlichen Aufbau und entsprechende ökonomische Erfolge auch auf eine breite Zustimmung in der Bevölkerung. Dabei regierte er mit harter Hand, bemühte sich jedoch, eine demokratische Fassade aufrecht zu erhalten. Das Militär schuf sich mit „Golkar“ eine maßgeschneiderte Partei, die komfortable Mehrheiten sicherte. Daneben bestanden die PPP (Vereinigte Entwicklungspartei, islamisch-konservativ) und die PDI (Demokratische Partei Indonesiens, national, auf Sukarno-Traditionen fußend). Der Präsident wurde seit 1973 durch ein Wahlmännergremium bestimmt, in dem eine Mehrheit für ihn außer Frage stand.
Außenpolitisch stach in der Suharto-Zeit wiederum ein versuchter Gebietserwerb hervor: die Timor-Krise. Ost-Timor war ein Überbleibsel der Kolonialherrschaft Portugals seit dem 16. Jh. Nach der „Nelkenrevolution“ im Mutterland 1974 war die Kolonie sich selbst überlassen. Suharto wollte vermeiden, dass hier ein Vakuum entstand. Nach der amerikanischen Niederlage in Vietnam (1975) war die Gefahr eines kommunistischen „Domino-Stein-Effekts“ in Sudostasien nicht von der Hand zu weisen. Indonesien besetzte deshalb Ost-Timor. Aber die Bevölkerung (knapp 1 Mio) setzte sich verzweifelt dagegen zur Wehr; etwa jeder Vierte büßte das mit seinem Leben. Die Weltöffentlichkeit nahm das Geschehen mit Missbilligung zur Kenntnis. Vor allem die Katholische Kirche mobilisierte die Weltöffentlichkeit dagegen (auch durch einen ostentativen Papstbesuch). Die Angelegenheit hat das Ansehen Indonesiens lange Zeit beeinträchtigt. Es wurde des neuen Besitzes nicht froh. 1999 gestattete es schließlich eine Volksabstimmung, und Ost-Timor erhielt nach einer Zwischenphase unter UN-Einsatz 2002 die Unabhängigkeit.
Wirtschaftlich ging es unter Suharto mit dem Land lange aufwärts. Dabei half seit 1967 die Gründungs-Mitgliedschaft in der ASEAN (Association of Southeast Asian Nations). Diese Gruppe der „5 Tiger“ schaffte den Aufstieg zu Schwellenländern, wenn auch mit unterschiedlichem Aplomb. Später kamen die ehemaligen kommunistischen Parias Kambodscha, Laos und Vietnam sowie das militärgeführte Myanmar hinzu. Indonesien ist das weitaus größte dieser Länder, wenn auch nicht so dynamisch wie Singapur und Malaysia.
Immerhin machte Indonesien deutliche Fortschritte bei der Industrialisierung – dank einer sinnvollen Planung und des Einsatzes befähigter Experten, die oft im Ausland, auch in Deutschland, studiert hatten. Die Entwicklung wurde jedoch gebremst durch eine immer stärker um sich greifende Korruption, in deren Zentrum die Familie des Staatspräsidenten stand. Durch sie bildete sich im Laufe dreier Jahrzehnte ein dichtes Beziehungsgeflecht, das die Wirtschaft des Landes gut im Griff hatte und auch noch lange über die Ära Suharto hinaus fortbestand, z.T. bis heute fortwirkt. Dabei bedingen sich Bürokratie und Korruption gegenseitig – wie so oft.
All das konnte das Land – wenn auch mit abgeschwächter Potenz – verkraften, bis mit der asiatischen Wirtschaftskrise 1997 der Bogen überspannt war. Nur mit Mühe und durch massives Eingreifen des Weltwährungsfonds konnte ein Staatsbankrott verhindert werden, nicht aber der Zusammenbruch von 16 Banken mit verheerenden Folgen.
Durch diese Turbulenzen geriet Suhartos Machtposition ins Wanken. 1998 kam es zu den gewalttätigsten Unruhen seit 1965, wieder verbunden mit ausufernden anti-chinesischen Progromen. Schließlich trat Suharto 1998 zurück. Nachfolger wurde sein Vizepräsident Habibie, der an der TH Aachen studiert und danach eine Karriere als leitender Manager in der deutschen Flugzeugindustrie eingeschlagen hatte. (Suharto hatte ihn als Fachmann zurückgeholt.) Er galt als persönlich integer, musste aber ein schweres Erbe antreten. Die innenpolitischen Unruhen ebbten nur allmählich ab. Er musste den Verzicht auf Ost-Timor einleiten, was Indonesiens internationalem Ansehen diente, aber nicht populär war. Im Parlament, auch bei der bisherigen Regierungspartei Golkar, hatte er nicht genügend Rückhalt. Er entschloss sich, 1999 Neuwahlen für das Parlament durchzuführen, die für Golkar eine schwere Schlappe brachten. Danach war die Wahl des Präsidenten durch die Bundesversammlung fällig. Habibie stellte sich nicht wieder. Es kandidierten der gemäßigte Muslimführer Wahid und die Tochter des Staatsgründers Megawati Sukarnoputri. Wahid gewann, obwohl Megawati die stärkste Fraktion (1/3) hinter sich hatte. Es kam zu erheblichen Protesten. Um die Stimmung zu besänftigen, akzeptierte der neue Präsident seine Konkurrentin Megawati als Vizepräsidentin. Er wolle jedoch zu viele Änderungen auf einmal und konnte sie nicht durchsetzen. 2001 wurde er durch ein „Impeachment“ seines Amtes enthoben. Megawati rückte in die Präsidentschaft auf. Aber sie enttäuschte viele Beobachter und Anhänger. Es gelang ihr nicht, die Wirtschaftsflaute zu beheben.
8. In diese Zeit fiel der schlimme islamistische Selbstmordanschlag (2002) auf dem friedlichen hinduistischen Bali, dem über 200 Menschen, ganz überwiegend australische Touristen, zum Opfer fielen. Was für Deutschland die Balearen sind, ist für Australien Bali. Die Auswirkungen auf den Tourismus waren für dieses „Musterländle“ Indonesiens noch lange Jahre zu spüren, zumal 2005 weitere Selbstmordanschläge auf Bali gefolgt waren.
Obwohl die Verfassung die religiöse Vielfalt verankert und islamische Kräfte in der Politik relativ gemäßigte Positionen einnehmen, kommt es doch immer wieder zu interreligiösen Konflikten, die auch in gewalttätige Aktionen umschlagen können (Muslime gegen Christen, Hindus und Chinesen, aber auch innerislamische Streitigkeiten, vor allem mit der schiitischen Minderheit). Man kann also Indonesien nicht ohne weiteres als Modell für religiöse Toleranz in einem vorherrschend islamischen Land bezeichnen, wie dies gelegentlich geschieht.
9. Die Präsidentenwahl 2014 brachte Hoffnung auf einen neuen Ansatz. Es kam zur Stichwahl zwischen General Prabowo, dem korruptionsverdächtigen Schwiegersohn Suhartos, der aber 2/3 des Parlaments hinter sich wusste, und dem Sieger Widodo. Er ist studierter Forstwirt und war beruflich als Möbelhändler tätig, bevor er (2005) Bürgermeister seiner Heimatstadt Surakarta auf Java wurde. Er verschaffte ihr starken Auftrieb durch gute Kommunalarbeit und Kampf gegen die Korruption. Seine Partei stellte ihn deshalb 2012 als Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl in der Hauptstadt Jakarta auf, die er gewann. Widodo machte seinem Ruf auch hier Ehre und schuf sich damit die Basis für die Präsidentschaftskandidatur 2014. Die Stichwahl gewann er mit 53%. Prabowo fügte sich, wenn auch schwer, in die Niederlage. Der neue Präsident Widodo hat allerdings nicht die Mehrheit des Parlaments hinter sich. Dementsprechend muss er Zugeständnisse machen. Entscheidend wird sein, wie weit es ihm, der weder dem Militär noch der unter Suharto herausgebildeten Wirtschaftsoligarchie entstammt, gelingen wird, verkrustete Strukturen und damit Quellen der Korruption aufzubrechen.
10. Dies ist der Schlüssel dafür, der Wirtschaft noch mehr Auftrieb zu geben. Immerhin hat Indonesien, nach der Überwindung der asiatischen Wirtschaftskrise, in den Jahren 2000 bis 2015 ein durchschnittliches Wachstum von 5% jährlich erzielt, und für 2016 rechnet die Weltbank mit einem ähnlichen Ergebnis. Damit bewegt sich Indonesien etwa auf der gleichen Ebene wie Indien und – trotz Verlangsamung – China. Aber für ein Schwellenland hat Indonesien noch Hausaufgaben vor sich: So schlägt die Landwirtschaft mit 14% der Wertschöpfung zu Buche, bei der Zahl der Beschäftigten aber mit 35%. Besonders der Reisanbau ist sehr arbeitsintensiv. Bei der Industrie betragen die Prozentsätze 46% (Wertschöpfung) und 22% (Arbeitskräfte) und bei den Dienstleistungen 40% bzw.43%, letztere ganz überwiegend in Kleinbetrieben.
Die Regierung versucht eine Gratwanderung zwischen der Ermutigung und Förderung ausländischer Investitionen und dem Schutz der heimischen Produktion, insbesondere in der verarbeitenden Industrie.
Die Handelsbilanz weist sogar Überschüsse auf, war aber 2015 zum vierten Mal rückläufig: Einfuhren 143 Mrd. $ (ein Minus von 20%), Ausfuhren 150 Mrd. $ (ein Minus von 15%). In diesem Rahmen entwickelte sich auch der Warenverkehr mit Deutschland. 2015 betrugen unsere Exporte 2,7 Mrd.$, unsere Importe 3, 9 Mrd.$. Für 2016 wird mit einem höheren Ergebnis gerechnet. Als Handelspartner liegen Japan, China, der Stadtstaat Singapur (ein wichtiges Tor für Indonesien) und andere Staaten der Region sowie die USA vorn. Der Staatenbund ASEAN wirkt sich – ähnlich wie die EU – förderlich auf den Wirtschaftsaustausch unter den Mitgliedsstaaten aus.
Unser Anteil am indonesischen Außenhandel ist nicht überwältigend, wenn man unsere Anstrengungen in der Entwicklungshilfe seit den 1950er Jahren berücksichtigt. Deutschland liegt hier – weit besser als im Warenaustausch – hinter Japan, Australien und den USA immerhin an 4. Stelle. Auch die wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit setzt wichtige Schwerpunkte wie das Tsunami-Frühwarnsystem und die Erhaltung des Tropenwaldes, der in Indonesien einem erheblichen Abbau unterliegt – mit negativen Auswirkungen für das Landselbst und sogar für dasWeltklima. Allerdings ist Präsident Widodo als Forstwirt mit Sicherheit problembewusst.
11. Zwischen unseren beiden Staaten kann die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit auf eine lange Tradition kultureller Verbundenheit zurückgreifen. Java war schon auf dem ersten Globus von Martin Behaim zu finden (1492), bevor es durch die Portugiesen erkundet wurde. Die Kenntnis ging auf Marco Polo zurück. Deutsche Handelshäuser wie die Welser wirkten bereits an den ersten portugiesischen Expeditionen in der Insulinde mit. Als die Ostindische Gesellschaft 1602 in Amsterdam gegründet wurde, waren die Niederlande Teil des großen mitteleuropäischen Kulturraums (formell wurde ihre Eigenständigkeit erst 1648 durch den Westfälischen Frieden besiegelt), und so wirkten in ihren Diensten auch immer wieder Deutsche mit. Vier Generalgouverneure waren deutscher Herkunft. Am bekanntesten war Gustav Wilhelm von Imhoff (1743 – 1751). In Deutschland gab es schon im 16. und 17 Jh. eine stattliche Reiseliteratur über die die Insulinde. Deutsche Forscher wirkten vor Ort, darunter der Geograph Franz Wilhelm Junghuhn (1809-1864). Er verfasste die erste eingehende wissenschaftliche Beschreibung von Java und Sumatra und wird deshalb gern als der „Humboldt Indonesiens“ bezeichnet. Es ist zu wünschen, dass dies auch im künftigen „Humboldt-Forum“ im Berliner Schloss seinen Niederschlag findet. Von bedeutenden deutschen Dichtern, die sich in ihren Werken mit der Insulinde befassten, sind Schiller, Kleist, Chamisso, Fontane, Hesse, Ernst Jünger zu nennen, d.h. der indonesische Kulturkreis war lange im deutschen Bildungsgut präsent. Einen besonderen Einfluss in Indonesien hatte ein bedeutender Künstler aus Deutschland, der Musiker und Maler Walter Spies. Er kam 1923 nach Java; der Sultan von Yogyakarta machte ihn zum Dirigenten seines angesehenen Hoforchesters. 1927 ging er nach Ubud auf Bali als Gast des dortigen Fürsten. Er förderte die einheimische Gamelan-Musik, die traditionsreichen mythischen Tänze und die Malerei. Das löste in den 30er Jahren internationale Begeisterung, ja sogar Schwärmerei für die Insel aus. Ein Produkt war z.B. der Bestseller von Vicki Baum „Liebe und Tod auf Bali“. In der Malerei legte Spies den Grundstein dafür, dass sich Ubud auf der Basis alter einheimischer Traditionen zu einem viel beachteten internationalen Kunstzentrum entwickelte. Spies starb wie andere internierte Deutsche, als er von den Niederländern 1942 nach Indien überführt werden sollte: das Schiff, nach dem Gouverneur Imhoff benannt, wurde unterwegs von der japanischen Marine versenkt.
Nach dem Kriege war die ehemalige niederländische Kolonialmacht unbeliebt. Einer kleinen Schicht gebildeter Indonesier war jedoch die holländische Sprache noch geläufig. Sie nutzten sie nun gern als Basis, um das verwandte Deutsch zu lernen. Daraus ergab sich frühzeitig die Neigung, zum Studium nach Deutschland zu gehen. Das Interesse an Deutschkursen war ebenfalls groß, und Indonesien war lange Zeit der asiatische Staat mit den meisten entsandten Deutsch-Lektoren – wesentlich mehr als in Indien. Auch heute wird Deutsch an indonesischen Schulen als Fremdsprache angeboten, und es gibt etwa 150.000 Schüler, die davon Gebrauch machen. Das ist beachtlich, wenn man berücksichtigt, welche beherrschende Rolle das Englische in Asien erlangt hat. Erfreulich ist ebenso, dass nach dem 2. Weltkrieg etwa 30.000 Indonesier bei uns studiert haben.
So fällt die Arbeit des DAAD und des Goethe-Instituts, das außer in Jakarta auch in den beiden javanischen Millionenstädten Bandung und Surabaya vertreten ist, auf fruchtbaren Boden.
In Deutschland ist ebenfalls das Interesse vorhanden, sich mit den faszinierenden geistigen und künstlerischen Traditionen Indonesiens zu befassen. Das zeigt sich bei Gastspielen und anderen Kulturveranstaltungen. Hier kommt es stark auf die Ausstrahlungskraft der indonesischen Vertretung an. Botschafter Dr. Fauzi Bowo hat von 1968-76 an der TU Braunschweig Architektur studiert und mit dem deutschen Dr. Ing. abgeschlossen. Das kommt dem Wirken der Botschaft sehr zugute und sicherlich auch der Gestaltung ihres künftigen Sitzes in der Tiergartenstr. 28. Darüber hinaus war Dr. Bowo viele Jahre Oberbürgermeister (Gouverneur) von Jakarta, der Hauptstadt und überbordenden Metropole Indonesiens. Er weiß daher, wie Weltstädte „ticken“. Er ist für Deutschland und gerade auch für Berlin ein Gewinn.
In der täglichen Arbeit wird die Indonesische Botschaft von den Berufs-Generalkonsulaten in Frankfurt a.M. und Hamburg, sowie den Wahlkonsulaten in Stuttgart und Kiel unterstützt. Der Deutschen Botschaft in Jakarta stehen die Deutsch-Indonesische Industrie- und Handelskammer sowie Wahlkonsulate in Surabaya/Java, Medan/Sumatra und Sanur/Bali zur Seite.
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Fotos: Dietrich Lincke