Die Italienische Botschaft ist ein Juwel unter den ausländischen Missionen in Berlin. Zusammen mit der Japanischen Botschaft bildet sie den Kern des traditionellen und - nach den schlimmen Zerstörungen der Kriegsjahre - wiederentstandenen „Diplomatenviertels", direkt am Tiergarten (Tiergartenstraße 21a-23 und 26-27). Dazwischen liegt die Hiroshimastraße, auch eine böse Erinnerung an das Kriegsende.
Seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden 1870/71 neugebildeten europäischen Staaten Deutsches Reich und Königreich Italien legte man Wert auf repräsentative Vertretungen in beiden Hauptstädten. 1875 zog Italien in ein Palais an der Wilhelmstraße, dem damaligen Machtzentrum. Wegen ihrer wachsenden Aufgaben musste die Botschaft aber mehrmals in noch größere und repräsentativere Gebäude umziehen. Eine neue Phase begann im Dritten Reich. Zu den gigantischen Umbauplänen Albert Speers für Berlin gehörte auch der weitere Ausbau des Diplomatenviertels: Die beiden Hauptverbündeten („Achsenpartner") Italien und Japan erhielten „Filetstücke" gegenüber dem Tiergarten. 1939-42 erbaute das Italien Mussolinis dort das aufwendige und eindrucksvolle Botschaftsgebäude, das - im Stil eines Renaissance-Palastes - durchaus majestätisch, aber nicht erdrückend oder bombastisch wirkt. Es erfüllt die beiden Zielsetzungen eines gelungenen Botschaftsgebäudes: erstklassiges Aushängeschild seines Staatswesens und Kompliment an die Bedeutung des Gastlandes. (Schließlich entstanden die Grundlagen der Diplomatie der Neuzeit in Italien, in den auswärtigen Diensten Venedigs und des päpstlichen Roms). Bald nach der Fertigstellung wurde der prachtvolle Bau durch Kriegsschäden arg in Mitleidenschaft gezogen, gerade in seinen Repräsentationsflügeln. Lediglich der Kanzleitrakt blieb weitgehend verschont. Er beherbergte nach dem Kriege das Generalkonsulat und das Kulturinstitut. Die eindrucksvollen Außenfassaden wurden mit viel Mühe und Sorgfalt wiederhergestellt. Der vollständige und umfassende Wiederaufbau erfolgte aber erst, als klar war, dass das Gebäude seine alte Bestimmung zurückerhalten würde. Der damalige Außenminister Fini knüpfte traditionsbewusst und konsequent an die Gestaltung und Ausstattung der Botschaft vor den Kriegszerstörungen an. Der Gebäudekomplex beherbergt heute die Residenz des Botschafters, die Kanzlei, das Konsulat und das Kulturinstitut.
Italien hat dadurch eine prominente Vertretung in Berlin, die keinen Vergleich mit den Botschaften Frankreichs, Großbritanniens oder selbst der USA zu scheuen braucht. Es macht auf jeden Fall eine „bella figura", im Selbstverständnis der Italiener ein Schlüsselwort. Dies wird der langen, wechselhaften, aber tiefgreifenden Geschichte der Beziehungen zwischen den beiden Völkern gerecht: Im Vorfeld lagen die römische Kolonisierung im Westen und Süden Germaniens, die meist kurzfristigen Eroberungen und Reichsgründungen germanischer Völkerschaften (von den Goten bis zu den Langobarden und Normannen) in Italien. Von einer deutschen und einer italienischen Nation kann man allerdings wohl nicht vor der ersten Jahrtausendwende sprechen, als sich ihre Sprachen herausbildeten - auch wenn beide Länder bis ins 19. Jahrhundert regional stark aufgegliedert blieben. Immerhin war die Nord-Süd-Achse über Jahrhunderte entscheidend für Europa, trotz der dazwischenliegenden Alpen. Das Mittelalter wurde lange vom Machtkampf zwischen Kaiser und Papst beherrscht. Er fand seinen Ausdruck insbesondere im Investiturstreit, im Ringen darum, wer die letzte Entscheidung hatte bei der Einsetzung der - auch weltlich - mächtigen Bischöfe im "Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation". Schon der Staatsname zeigt die Symbiose. Bezeichnend ist ebenfalls, dass die Parteiungen in den mittelalterlichen Städten Italiens nach den deutschen Herrscherhäusern der Welfen und der Staufer benannt wurden (Guelfen und Ghibellinen).
Daneben bildeten sich andere Schwerpunkte: Die internationalen Handelswege führten bis zur Entdeckung Amerikas und zum Teil darüber hinaus übers Mittelmeer. Venedig und Genua hatten die Schlüsselstellungen. Deutsche Städte wie Augsburg und Nürnberg wurden dadurch ebenfalls reich. Noch heute sind die Kernbegriffe des Bankwesens italienischen Ursprungs, was mancher Kunde, der sich im sonnigen Süden in eine Bankfiliale verirrt, kaum glauben mag. Rechtswesen, Wissenschaft und Universitäten erhielten entscheidende Anstöße aus dem todgeweihten Ostrom (Byzanz), die über Italien ans nördliche Europa weitergegeben wurden. Malerei, Musik und Architektur wurden befruchtet und belebt durch Italien, bevor daraus ein gleichrangiger Austausch in beiden Richtungen wurde. Die Reformation und der verhängnisvolle 30-jährige Krieg hemmten diese gegenseitigen Einflüsse. Danach lebten sie wieder auf. Im 18. Jahrhundert war Italienisch (nach Latein) die wichtigste Fremdsprache der Gebildeten in Deutschland, bis es - zuerst an den Fürstenhöfen - durch Französisch abgelöst wurde. Die Italienreise war die große Sehnsucht der deutschen Oberschicht (berühmtes Beispiel: Goethe). Im 20. Jahrhundert wurde daraus eine regelrechte Massenbewegung des Tourismus. Umgekehrt kamen Italiener zur Arbeit nach Deutschland (in einer ersten Welle schon vor dem Weltkrieg); ein Teil blieb. Damit verbunden war der Respekt vor der Tüchtigkeit, Arbeitskraft und technischen Begabung, die den Deutschen zugeschrieben werden. Ein bissiges Wort möchte allerdings das Verhältnis in der Sentenz zusammenfassen: "Die Italiener achten die Deutschen, aber sie lieben sie nicht. Die Deutschen lieben die Italiener, aber sie achten sie nicht." Solche Pauschalurteile sind gefährlich, und sie rufen danach, widerlegt zu werde. Dies ist eine der wichtigen Aufgaben der beiden Botschaften, und sie können sich dabei auf den breiten Strom der menschlichen Begegnungen verlassen - durch den immensen Reiseverkehr, den regen Kulturaustausch und die stattlichen Handelszahlen: 2011 kamen 16% der italienischen Einfuhren (in Höhe von insgesamt 401 Mrd. €) aus Deutschland, und 13% der Ausfuhren (von insgesamt 376 Mrd. €) gingen in unser Land. Wir liegen damit für Italien an erster Stelle. Das Verhältnis ist durchaus ausgewogen, wenn man bedenkt, wie viel Geld deutsche Touristen in Italien ausgeben. Auf der anderen Seite ist es ein erfreuliches Zeichen, dass immer mehr Italiener nach Deutschland reisen, während sie früher zu der Ansicht neigten, ihr eigenes Land sei viel zu schön, um ins Ausland zu fahren.
Gelegentliche Querelen in der hohen Politik beeintr&auauml;chtigen also nicht die Breitenwirkung der Beziehungen zweier Völker, die einander jahrhundertelang kennen und schätzen gelernt haben.
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Fotos: Dietrich Lincke