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Kennst du Gotthold Ephraim Lessing?
vorgestellt von Jürgen Krätzer

Jürgen Krätzer eröffnet uns eine neue Sicht auf den Autor. Lessing entpuppt sich als schulverdrossener Aufrührer, als Student in „schlechter Gesellschaft" und als leidenschaftlicher Glücksspieler, der sich von Job zu Job hangelt. Bewusst stellte er sich gegen die damaligen Erwartungen und prangerte die Scheuklappen der Gesellschaft an. Krätzer zeigt dies anhand unkonventioneller Fabeln und Gedichte, seiner Kritiken und Briefe. Zugleich setzt er sich mit Lessings neuartiger Theatertheorie und den aufklärerischen Werten in seinen Dramen auseinander. Dabei gelingt es ihm aufzuzeigen, wie relevant und modern deren Themen noch heute sind.

Mexikanische Botschaft

Dietrich Lincke

Die „Vereinigten Mexikanischen Staaten“ sind ein wichtiger Partner für uns. Wie der Name sagt, sind sie ein Bundesstaat. Das Staatsgebiet umfasst 2 Mio. km2, das Fünfeinhalbfache Deutschlands. Mit der Zahl seiner Einwohner (bald 130 Mio.) steht Mexiko in der Welt an 10. Stelle. Die Hauptstadt Mexiko-Stadt (8,5 Mio. Einwohner) ist das Zentrum eines Ballungsraumes von über 20 Mio. Menschen, wohl des größten in der Welt. Auch mit seiner Wirtschaftskraft steht Mexiko an 10. Stelle. Es ist neben Brasilien und vor Argentinien das mächtigste Land in Lateinamerika und Mitglied der „Gruppe der 20“. Unmittelbar vor dem Treffen dieser Gruppe in Hamburg im Juli 2017 stattete Bundeskanzlerin Angela Merkel Argentinien und Mexiko zur Abstimmung der Positionen einen Besuch ab. (Brasilien musste grade eine schwierige innenpolitische Lage bewältigen.)

Zwischen Deutschland und Mexiko bestehen traditionsreiche kulturelle Kontakte. Die wirtschaftlichen Beziehungen sind intensiv und – wie auch im Falle Brasiliens – durch beachtliche deutsche Investitionen gekennzeichnet. Dementsprechend ausgeprägt ist der deutsche Einfluss bei beiden Partnern.

Die mexikanische Botschaft in Berlin
Die mexikanische Botschaft in Berlin

Seit der „Entdeckung“ Amerikas gab es immer wieder Berührungspunkte. Die diplomatischen Beziehungen (zwischen Preußen und Mexiko) gehen auf das Jahr 1853 zurück. Die Vertretung Mexikos in Berlin befand sich ursprünglich an der Landgrafenstraße, nicht weit vom jetzigen Sitz. Sie wurde im Zweiten Weltkrieg durch Fliegerbomben zerstört. Nach dem Kriege trug man die Trümmer ab. Mexiko verkaufte das Grundstück in den 1980-er Jahren. Nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit beiden Teilen Deutschlands (schon 1952) bezog es Dienstgebäude in Köln/Bonn und Berlin (Ost). In Berlin (West) bestand ein Generalkonsulat am Kurfürstendamm, das später vorübergehend als Amtssitz der Botschaft im wiedervereinigten Deutschland diente.

Im Jahre 2000 wurde der Botschaftsneubau an der Klingelhöferstraße 3 (Tiergarten) fertig. Er stellt nach der Ansicht von Fachleuten ein gelungenes und eindrucksvolles Beispiel moderner Architektur dar und wird insofern gern in einem Atemzug mit den unmittelbar benachbarten Nordischen Botschaften und der Niederländischen Vertretung in Berlin genannt. Das offizielle „Hauptstadtportal Berlin“ bezeichnet die Mexikanische Botschaft als eine der schönsten Neubauten im Berliner Botschaftsviertel – ein gewichtiges Kompliment von einer Seite, die bemüht sein muss, alle Gäste gleichermaßen zu loben.

Zwei Charakterzüge faszinieren den Besucher schon, wenn er sich dem Gebäude nähert: die Außenwände in Sichtbeton aus gemahlenem Marmor, durchsetzt mit Marmorstücken, die in der Sonne ein Glitzern erzeugen. Die Oberflächen wurden kunstvoll mit Pressluftmeißeln bearbeitet. Blickt oder läuft der Betrachter an der Vorderfront entlang, kommt ein changierender Effekt zustande. Der Kubus ist von 40 Betonlamellen umgeben, die zum größten Teil nach innen geneigt sind. Dadurch entsteht beim Entlanggehen (und Fotografieren) ein sich ständig verändernder Blickwinkel (ähnliche optische Kunstgriffe kennt man aus der alten Malerei).

Im Inneren des Botschaftsbaus bildet ein bis zur Dachtraufe reichender Zylinder das Kernstück. 400 kleine Fenster, die wie Bullaugen wirken, erfüllen ihn mit Licht. Er ist eine Art Atrium, um das sich alle anderen Räumlichkeiten der Botschaft gruppieren, eine Anlehnung an die typische Struktur mexikanischer Häuser.

Funktionell ist das Gebäude wie folgt aufgeteilt:

Im Erdgeschoss befinden sich ein Foyer, ein Saal für Veranstaltungen und ein Informationszentrum. Im ersten Stock sind die Abteilungen mit viel Besucherverkehr untergebracht: Konsularangelegenheiten und Kultur. Darüber liegen die Stockwerke des diplomatischen Personals und die Räume des Botschafters. Nach oben wird das Gebäude von einem Dachgarten abgeschlossen, der einen weiten Rundblick, z. B. über die Nordischen Botschaften hinweg zur Siegessäule, bietet.

Die Botschaft entspringt einem eigenen schöpferischen Stil. Aber sie verarbeitet auch bewusst Reminiszenzen an die Hochkulturen, die Mexiko vor der Eroberung durch die Spanier geprägt haben. Das Bauwerk – der erste Botschaftsneubau des Landes in Europa nach dem Krieg – war auch eine vorausschauende Leistung : Es legt Zeugnis ab von einer außereuropäischen Kultur, wie es für das Humboldt-Forum vorgesehen ist, das den Kern des im Wiederaufbau befindlichen Berliner Schlosses bilden wird. Dort wird Mexiko mit an vorderster Stelle stehen, da es in den Berliner Museumsbeständen hervorragend vertreten ist. Bis es soweit ist, gibt es allerdings noch eine Durststrecke; denn die Schätze der altamerikanischen Kulturen sind zurzeit im Völkerkundemuseum nicht mehr zugänglich, sondern verstaut, bis das Humboldt-Forum eingerichtet werden kann. (Also eine ähnliche „Kunstpause“ wie beim Pergamon-Altar!)

Bis der Dornröschenschlaf beendet ist, gilt es, das Bewusstsein wachzuhalten, dass Mexiko zu drei großen Bereichen des Erdballs gehört, in denen die Hochkulturen der Menschheit entstanden sind, also Vorderasien und Europa, Ost- und Südasien und Mittelamerika sowie der nördliche Teil des Andenraums. Während über mehr als zwei Jahrtausende immer wieder Kontakte zwischen Asien und Europa belegt sind, gab es vor der „Entdeckung“ Amerikas 1492 höchstens kurzfristige Berührungen, jedenfalls keine Beweise für wesentliche gegenseitige Einflüsse.

So bleibt der entscheidende Stichtag für die Begegnung beider Kulturkreise die Landung von Columbus auf einer der Bahama-Inseln (12.10.1492). Bekanntlich glaubte er anfangs, in Indien an Land gegangen zu sein. Insgesamt organisierte er vier Reisen in das neu entdeckte Gebiet. Seine spanischen „Sponsoren“ schufen zunächst Stützpunkte in der Karibik und stießen erst von dort aus auf die Küsten des großen Kontinents. Um diese Zeit begann Hernán Cortez seine Karriere als Sekretär des Gouverneurs von Kuba. Er kam zu Geld und rüstete auf eigene Faust eine Expedition zum Festland aus. Dort etablierte er sich im heutigen mexikanischen Vera Cruz und erkundete die Verhältnisse.

Mexiko war zu der Zeit fest in den Händen der Azteken. Es war ein altes Kulturland. Schon seit 1000 v. Chr. hatten dort andere Völker geherrscht und Hochkulturen entwickelt: bis ca. 300 v. Chr. die Olmeken; dann folgte die Zeit der Kultur von Teotihuacan, etwa von Christi Geburt bis 700 n. Chr.; ihr Reich wurde durch barbarische Stämme aus dem Norden zerstört. Das nächste größere Reich bildeten die Tolteken (ca. 1000 bis 1200 n. Chr.). Sie waren die Vorgänger der Azteken. Parallel zu diesen Ereignissen in Zentralmexiko verlief die Entwicklung der Hochkultur der Maya, bis 900 in Guatemala. Wegen ihrer wissenschaftlichen Erkenntnisse und Leistungen werden sie oft die „Griechen Amerikas“ genannt. Besonders Beachtliches hatten sie vorzuweisen auf den Gebieten der Mathematik (Erfindung der Null lange vor den Indern), der Astronomie (exakter Kalender), der Architektur und der Kunst. Sie hatten auch eine eigenständige Bilder- und Silbenschrift entwickelt. Aber Rad und Wagen waren ihnen wie allen Völkern Amerikas unbekannt. Aus ungeklärten Gründen verließen sie im 10. Jh. ihre bisherige Heimat und siedelten sich auf der Halbinsel Yucatan an, wo sie bei der Ankunft der Spanier zu Hause waren.

Die entscheidenden Machtstrukturen, die zur Zeit von Columbus und Cortez bestanden, gingen vom Zentrum Mexikos aus.

Dort entstand im 13. Jh. das Aztekenreich. Sein Ausgangspunkt war die Hauptstadt, das in einem See gelegene Tenochtitlan mit der umliegenden Region. Die benachbarten Städte wurden tributpflichtig gemacht oder erbarmungslos unterworfen. Ihre Kriegsgefangenen opferten die Azteken in großer Zahl den Göttern, besonders dem Kriegsgott Huitzilopochtli. Wegen ihrer Härte und Grausamkeit war die aztekische Herrschaft bei den Unterworfenen verhasst. So konnte Cortez in ihren Reihen leicht Verbündete finden. 1519 entschloss er sich zum Marsch auf Tenochtitlan mit 550 Soldaten, darunter 30 Reitern, die für die Einheimischen ein unbekannter Anblick und daher furchtgebietend waren. Der aztekische Herrscher Montezuma empfing die spanischen „Besucher“ freundlich und großzügig. Die Gäste nahmen ihn aber praktisch zur Geisel. Verrat, Betrug und bewaffnete Zusammenstöße mündeten in einen heftigen Konflikt, bei dem Montezuma umkam. Seuchen breiteten sich aus; denn die Einheimischen hatten keine Abwehrstoffe gegen die von den Spaniern eingeschleppten Krankheiten. In der Folge wurde die blühende Hauptstadt Tenochtitlan zerstört.

Damit war eine bedeutende, trotz ihrer Schattenseiten eindrucksvolle Kultur der Menschheit „geköpft“. Mexiko wurde zu einer spanischen Provinz „Neu-Spanien“; Kaiser Karl V. setzte Cortez als Gouverneur ein (1521 bis 1530). 1542 eroberten die Spanier auch die von den Maya besiedelte Halbinsel Yucatan.

Nach der Eroberung der alten Kulturgebiete durch Spanien begann in Lateinamerika eine Zeit des Niedergangs. Viele Kulturgüter gingen verloren, weil sie dem Goldrausch der Eroberer zum Opfer fielen oder weil sie als heidnische Machwerke vernichtet wurden. Dies geschah auch mit den Bilderschriften; nur ganz wenige Codices überlebten diese Zeit. Die Menschen wurden durch die eingeschleppten Krankheiten dezimiert oder den neuen Herren zur Arbeit zugewiesen, quasi als Leibeigene. Für viele Priester und Ordensleute war das ein Weg zur Bekehrung der Einheimischen. Es gab aber auch Kräfte in der Katholischen Kirche, die den Indianern ihr Menschsein nicht absprechen wollten. Große Verdienste hat sich der Dominikanerpater Las Casas (1474 bis 1566) erworben, der die Missstände frühzeitig anprangerte und sich für die Rechte der Indianer einsetzte. Das zeigte auch Wirkung. 1542 erließ die spanische Krone (also Kaiser Karl V., der zugleich als Karl I. König von Spanien war) ein Gesetz zum Schutz der Rechte der Indianer, das ihre Versklavung untersagte.

Im Laufe eines halben Jahrtausends ist aus den zahlreichen unterworfenen Völkern und Stämmen sowie den europäischen Zuwanderern das mexikanische Volk unserer Tage entstanden. Heute sind über 80 % der Bevölkerung europäisch-indigener Herkunft, 11 % Indianer, 5 % europäischer Abstammung. Sie empfinden sich als Mexikaner und bejahen ganz überwiegend das kulturelle Vermächtnis beider Seiten, das sie fortführen. Diese Symbiose ist also inzwischen Grundlage des mexikanischen Staates.

Für mich war es wohltuend, dass man grade in Mexiko – wie etwa auch in Indien – noch heute das Gefühl hat, sich in einer eigenständigen Welt zu bewegen und nicht in einer Spielart der „globalisierten“ Zivilisation.

Immerhin wurde vom 16. bis ins 19. Jh. die indigene Kultur unter die Oberfläche gedrückt bzw. von der spanischen Kultur durchdrungen oder überlagert. 1535 hatte die spanische Krone das Gebiet von Mexiko zum Vizekönigreich Neu-Spanien erhoben. Darin kam die große Bedeutung für das Mutterland zum Ausdruck: Anfangs hatte Spanien die immensen Goldschätze des Landes in all seinen neuen Besitzungen rigoros „eingesammelt“. Danach lieferten die vorhandenen oder neu erschlossenen Minen weiter Gold, aber in geringerem Ausmaß. Stattdessen sprudelte der Reichtum aus einer anderen Quelle. Mexiko wurde dank seiner großen Vorkommen zum Silberland. Das Metall gelangte im Austausch für die Einfuhr spanischer Erzeugnisse in das Mutterland und von dort in die europäischen Handelszentren. Mexiko war deshalb nicht genötigt, andere Produktionszweige zu entwickeln und auszubauen. Die Führungsschicht der Kreolen (Spanier, die in Amerika geboren waren, aber zum Teil auch indianische Vorfahren hatten) kam durch das Silber ohnehin zu Wohlstand.

Im 18. Jh. fand in der wohlhabenden Oberschicht die europäische Aufklärung Resonanz, und Bestrebungen zur Unabhängigkeit von Spanien erhielten Auftrieb. Den entscheidenden Anstoß gab die Eroberung Spaniens durch Napoleon, der die Abdankung Karls IV. und seines Nachfolgers erzwang. Spanien konnte deshalb jahrelang keine effektive Kontrolle in Amerika mehr aufrechterhalten, und die Abnabelung der Kolonien vom Mutterland erhielt neue Anstöße. Mexiko erklärte am 16. September 1810 seine Unabhängigkeit. Die Anhänger des Königs gaben jedoch nicht auf, und es kam wie fast überall in Lateinamerika zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Nach der Niederlage Napoleons setzten sich die Spanier sogar wieder weitgehend durch, und erst in hartnäckigen Bürgerkriegen neigte sich die Waagschale zugunsten der Unabhängigkeit. In Mexiko (wie in Peru) kämpfte aber nicht nur die kreolische Oberschicht um die Löslösung, sondern auch indianische Völker schlossen sich an. Am 27. September 1821 erreichte Mexiko endgültig die Unabhängigkeit, die nunmehr auch von der spanischen Krone anerkannt wurde.

Zu dieser Zeit hatte Mexiko seine größte territoriale Ausdehnung. Es umfasste im Süden ganz Zentralamerika und im Norden den heutigen Südwesten der USA von Kalifornien bis Texas und Colorado.

Das 19. Jh. blieb für Mexiko eine unruhige Zeit mit Bürgerkriegen zwischen konservativ-klerikalen und liberalen Kräften, mit ausländischen Interventionen und mit Gebietsabtretungen. Der amerikanische Präsident hatte 1823 die nach ihm benannte „Monroe-Doktrin“ verkündet: Darin verbat er sich Einmischungen europäischer Mächte in die inneren Verhältnisse lateinamerikanischer Staaten und erklärte die USA zu ihrer Schutzmacht. Aber wer sollte diese Länder vor den USA selbst schützen?

Im Süden löste sich 1823 das Generalkapitanat Guatemala aus dem mexikanischen Staatsverband, um 1839 in die Staaten Guatemala, El Salvador, Nicaragua und Costa Rica zu zerfallen. Im Norden versuchten die USA zunächst (1835), Mexiko weite Gebiete abzukaufen (u. a. Texas und Kalifornien). Als dies nicht gelang, riefen 1836 in Texas lebende Amerikaner die „Unabhängige Republik Texas“ aus, die dann 1845 von den Vereinigten Staaten annektiert wurde. Die Ambitionen der USA erstreckten sich aber noch viel weiter, auf die ganze riesige Region, und sie marschierten ein, was 1846 den amerikanisch-mexikanischen Krieg auslöste. Mexiko unterlag und trat seine gesamten nördlichen Gebiete ab: die späteren Bundesstaaten Kalifornien, New Mexiko, Arizona, Nevada, Utah und Colorado. An die ursprüngliche Zugehörigkeit erinnern heute noch die spanischen Ortsnamen.

Aber auch die Beziehungen zu Europa waren nicht konfliktfrei. Da Mexiko seine Auslandsschulden nicht bezahlen konnte, entsandten England, Spanien und Frankreich Truppen in das Land. Napoleon III. versuchte, als die beiden anderen Mächte sich zurückgezogen hatten, dort einen Satellitenstaat einzurichten. 1858 besetzten die Franzosen die Hauptstadt Mexiko-Stadt, und Napoleon III. ließ 1863 den österreichischen Habsburger Erzherzog Maximilian als Kaiser von Mexiko einsetzen. Die USA verlangten unter Berufung auf die Monroe-Doktrin den Abzug der Franzosen und unterstützten im Bürgerkrieg die Gegenseite. Die Franzosen gaben daraufhin klein bei und rückten ab. Der unglückliche Maximilian wurde besiegt, gefangen genommen und 1867 hingerichtet.

Das Ende des 19. Jh. brachte dann eine Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs unter Präsident Porfirio Diaz. Aber die sozialen Spannungen nahmen zu und entluden sich 1910 in der Mexikanischen Revolution, die sich immer wieder in internen Querelen verzettelte und 20 Jahre brauchte, bis sie sich konsolidiert hatte. Dann fand sie feste Strukturen in einer sozialdemokratisch ausgerichteten Einheitspartei, die aber noch mehrfach umgebildet und umbenannt wurde, bis sie sich 1946 unter dem Namen „Partei der Institutionalisierten Revolution“ (PRI) konstituierte. Sie war praktisch bis zum Jahre 2000 ununterbrochen an der Regierung und sog als Einheitspartei auch gesellschaftliche Gruppen und Verbände auf. Die anderen Parteien hatten daneben kaum Bedeutung. Ab 1939 verstand es aber die „Partei der nationalen Aktion“ (PAN), Fuß zu fassen. Sie bot bürgerlichen und kirchentreuen Kräften eine Basis und wurde allmählich zu einer echten Opposition. Im Jahre 2000 konnte sie in einer Koalition mit anderen Gruppen die Präsidentschaftswahlen gewinnen und bis 2012 zwei Staatsoberhäupter stellen. Danach wurde Präsident Peña Nieto gewählt (bis 2018), der wieder der PRI angehört. Inzwischen hat sich das politische Spektrum diversifiziert. Im Abgeordnetenhaus (500 Mitglieder) sind neun Parteien vertreten, darunter die PRI mit 203, die PAN mit 108 Parlamentariern.

In jüngerer Zeit hat sich auch die katholische Kirche gefestigt, die in den ersten Jahrzehnten nach der Revolution vom Regime rigoros verfolgt worden war. Der Wandel wurde unterstrichen durch den Besuch von Papst Franziskus Anfang 2016.

Äußerst problematisch ist aber die innere Sicherheit des Landes. Allein für das Jahr 2015 betrugnach offiziellen Angaben die Zahl der Morde 36.126 . Sie sind ein Zeichen für das Ausmaß der organisierten Kriminalität, deren Nährboden vor allem der Drogenhandel ist. Querverbindungen zu den Sicherheitskräften und Politikern auf unterer, aber auch auf nationaler Ebene erschweren die Bekämpfung. Das bleibt eine gewaltige Aufgabe der Innenpolitik.

Außenpolitisch ist für Mexiko das Verhältnis zu den USA ausschlaggebend. Es ist seit der Unabhängigkeit belastet und für beide Seiten schwierig. 16 % der Einwohner der Vereinigten Staaten sind heute „Hispanics“ (Einwohner, die selbst oder deren Vorfahren aus Lateinamerika zugewandert sind). Zwei Drittel von ihnen kamen aus Mexiko (oft über die „grüne Grenze“). Das sind mehr als 10 % der amerikanischen Gesamtbevölkerung. Das Phänomen ist nicht neu. Ursprünglich lebten die Hispanics hauptsächlich in den ehemals mexikanischen Gebieten, verteilten sich danach aber auch über das ganze Land. Im Wahlkampf 2016 forderte der Präsidentschaftskandidat Trump, den ständigen Zufluss durch den Bau einer Grenzmauer zu stoppen, die auch noch von Mexiko bezahlt werden soll. Die Durchführung erweist sich als schwierig.

Auf der anderen Seite bestehen starke wirtschaftliche Abhängigkeiten, die schwer zu lösen sind. Die niedrigeren Löhne in Mexiko haben zwar bewirkt, dass viele Arbeitsplätze dorthin abgewandert sind, aber Mexiko ist auch zu einer „verlängerten Werkbank“ für die Vereinigten Staaten geworden, auf die amerikanische Unternehmen nicht ohne Schaden verzichten können. Bereits 2013 gingen 78,5 % der mexikanischen Exporte in die USA, und 49,4 % der Importe kamen vom nördlichen Nachbarn, darunter viele Waren, die in Mexiko verarbeitet und dann wieder zurückgesandt werden.

Das überwältigende Gewicht der amerikanisch-mexikanischen Beziehungen ergibt sich aber nicht nur aus der geografischen Nachbarschaft und der daraus entstandenen Verflechtung, sondern es hat zusätzliche Anstöße durch das Nordamerikanische Freihandelsabkommen von 1994 (NAFTA) bekommen, dem als dritter Nachbar außerdem Kanada angehört. Präsident Trump selbst hat das Abkommen als Nachteil (wegen der „Vernichtung amerikanischer Arbeitsplätze“) bezeichnet und deshalb Mitte 2017 eine Neuverhandlung eingeleitet.

Darüber hinaus kritisiert Trump, dass z. B. deutsche und japanische Firmen Mexiko als Sprungbrett benutzen, um dort mit geringen Gestehungskosten Produkte für den amerikanischen Markt herzustellen.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Zielsetzungen der Trump-Administration auch Prozesse in Gang setzen, die erhebliche Auswirkungen auf die deutsch-mexikanischen Beziehungen haben können. Die hohen deutschen Investitionen zeigten – jedenfalls bis 2016 – weiterhin eine wachsende Tendenz. Paradebeispiel sind seit nunmehr 50 Jahren die VW-Werke in Puebla.

Knapp 2000 Firmen arbeiten in Mexiko mit deutscher Kapitalbeteiligung, hauptsächlich im Automobilsektor (mit Zulieferern) und in den Bereichen Pharma, Chemie und Logistik. Die deutschen Exporte 2016 mögen mit 11,2 Mrd. Euro zwar beachtlich erscheinen. Im deutschen Gesamtvolumen machen sie allerdings nur knapp 1 % aus. Die deutschen Importe aus Mexiko erreichten 2016 die Hälfte, rd. 5,14 Mrd. Euro, das ist etwas mehr als 1/2 %. Aus mexikanischer Sicht bezog das Land 3,68 % seiner Einfuhren von uns und lieferte uns 1,29 % seiner Exporte. Im Vergleich zum Handel mit den NAFTA-Partnern, aber selbst mit China und Japan, sind dies allerdings keine überwältigenden Anteile.

Immerhin haben die langjährigen fruchtbaren Wirtschaftsbeziehungen auch auf den kulturellen Bereich abgestrahlt und wertvolle Anstöße gegeben. Das bezeugen insbesondere die 5 Begegnungsschulen mit insgesamt 6000 Schülern, davon 3 in Mexiko-Stadt (eine führt zum Abitur), 1 in Puebla (bis zum Abitur), 1 in Guadelajara. Seit 1966 gibt es ein Goethe-Institut in Mexiko-Stadt, der DAAD hat dort eine seiner 15 Außenstellen in der Welt. Zwischen deutschen und mexikanischen Hochschulen bestehen 360 Kooperationsabkommen.

Das Interesse an Mexiko hat eine lange Tradition in Deutschland. Das mögen einige Streiflichter zeigen.

  • 1755 wurde in der Königlichen Hofoper zu Berlin die Oper Montezuma von Carl Heinrich Graun, dem Kapellmeister Friedrichs des Großen, aufgeführt (der König selbst hatte – auf Französisch – das Libretto geschrieben).
  • Die Reise Alexander von Humboldts nach Mexiko 1803/04 und seine grundlegenden Beschreibungen.
  • Der lange Aufenthalt des erfolgreichen Südamerika-Malers Moritz Rugendas aus Augsburg, der von 1831 bis 1834 Mexiko bereiste und dessen Zeichnungen in Deutschland eine große Aufmerksamkeit weckten. Wichtige Anregungen hatte er von seinem väterlichen Freund Alexander von Humboldt erhalten.
  • Der Geschichtsroman „Die weißen Götter“, den Eduard von Stucken 1917 bis 1922 schrieb, ein Standardwerk über die Eroberung Mexikos, das hohe Auflagen erzielte und über Generationen hinweg regelrecht verschlungen wurde.
  • Frida Kahlo (1907 bis 1954) und Diego Rivera (1886 bis 1957). Frida Kahlo, Tochter eines aus Deutschland eingewanderten Fotografen, wird weithin als profilierteste Malerin Mexikos angesehen, als brillante Vertreterin des Surrealismus. Sie war zweimal mit Rivera verheiratet, der als der bedeutendste Maler des modernen Mexiko gilt, vor allem aufgrund seiner bekannten Kolossalgemälde u. a. im mexikanischen Parlament; sie vereinen die kulturellen Einflüsse der alten indianischen Kulturen mit der Moderne. Beide Künstler fühlten sich der mexikanischen Revolution von 1910 verbunden. Ihrer beider Ausstrahlung reicht aber über Mexiko hinaus, wie z.B. die Frida-Kahlo-Ausstellung 2010 im Berliner Walter-Gropius-Bau zeigte.
  • Den jüngsten Höhepunkt bildeten 2016/17 das Mexiko-Jahr in Deutschland und parallel dazu das Deutsche Jahr in Mexiko, die mit einer Vielzahl von Veranstaltungen jeweils ein breites Publikum ansprachen.

Dies alles steht dahinter, wenn man die eindrucksvolle mexikanische Botschaft in Berlin vor sich sieht. Der interessierte Besucher sollte sie bei einem Streifzug im Diplomatenviertel im Tiergarten „auf dem Schirm“ haben.

Mexikanische Botschaft in Berlin

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Fotos: Dietrich Lincke

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