Eine dauerhafte Ausstellungsinstallation im Rathaus Schöneberg erinnert an die in der Zeit des Nationalsozialismus' verfolgten und ermordeten jüdischen Einwohner der Berliner Bezirke Schöneberg und Tempelhof. In mittlerweile mehr als 150 biographischen Alben, die in einem Lesesaal für Besucher zum Studium ausliegen, werden Lebensgeschichten, Einzel- und Familienschicksale dokumentiert.
30 Jahre Recherche gingen der Ausstellung voraus. Die in alle Welt vertriebenen überlebenden Zeitzeugen mussten ausfindig gemacht und kontaktiert werden. Aus ihrer Perspektive, mit persönlichen Erinnerungen, Briefen, historischen Dokumenten, Ton- und Bildmaterial werden die Biografien rekonstruiert und eindringlich erfahrbar gemacht. Die Alben schildern das alltägliche Leben vor 1933 im sozialen Umfeld von Familie, Freunden, Nachbarn, in der Schule, am Arbeitsplatz, und berichten von Verfolgung, Flucht ins Exil, von Deportation und Ermordung und über das Schicksal der Überlebenden des Holocaust bis in die Gegenwart.
Einige der Alben sind berühmten Berliner Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Sport, Kunst, Musik und Literatur gewidmet, z.B. Renée Sintenis und Kurt Tucholsky. An Hörstationen erklingen aus historischen Aufnahmen die Stimmen verstorbener Dichter und Musiker.
In Schubfächern werden persönliche Erinnerungsmomente von Zeitzeugen zum sogenannten Archiv der Erinnerung zusammengetragen. Museumsbesucher können die Fächer der Archivschränke einsehen und das Archiv um eigene Erinnerungen ergänzen.
An den Wänden des Lesesaals sind über 6000 Karteikarten mit den handschriftlich vermerkten Namen und letzten Wohnanschriften von Deportierten und Ermordeten angebracht, die verbildlichen, wie viele Menschen aus der unmittelbaren Nachbarschaft verhaftet, über Nacht ihrem Alltag und ihrer Gemeinschaft entrissen und in Vernichtungslager deportiert wurden.
In einer Bücherecke wurde ein Handapparat mit Biographien von und über jüdische Zeitzeugen und weiterer themenbezogener Literatur zur Vertiefung zusammengestellt.
Die Installation versteht sich als "work in progress" und wird ständig ergänzt.
Der Lesesaal ist Ort der Information, des Zusammentragens von Erinnerungsmomenten, des fortwährenden persönlichen und gemeinschaftlichen Gedenkens.
*****
Fotos: Jean Gies