An diesem Museum sind sowohl der äußere Rahmen wie die Inhalte bemerkenswert. Außerdem übt es eine große Anziehungskraft auf junge Leute aus. Es stellt einen seiner Säle für Kindergeburtstage zur Verfügung, und - dies ist allerdings wohl mehr eine Aufmerksamkeit für die Eltern - es dürfte kaum ein zweites Museum in Berlin geben mit so vielen Hinweisen „ zum Wickelraum". Auch wenn man die davon betroffenen Kinder nicht mitzählt - das Durchschnittsalter der Besucher ist niedrig.
Das Angebot der Cafeteria und die außerordentliche Vielfalt an Spielzeug im Museumsladen tragen dem Rechnung. Aber auch einführende Bücher in die Naturwissenschaften sind reichlich vorhanden. Das Gebäude lockt zwar die Jugend an, aber es atmet innen und außen noch den Geist seiner Entstehungszeit, des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Schließlich hat das Haus eine ehrwürdige Tradition. Einige seiner „Naturalien" gehen auf die „Kurfürstliche Kunstkammer" zurück. Die 1700 gegründete Akademie (ursprünglich „Sozietät") der Wissenschaften, deren erster Präsident der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz war, geh&ououml;rte zu den Wegbereitern.
Unter Friedrich dem Großen nahm die Akademie einen neuen Aufschwung. Zusätzlich gründete er die Berliner Bergakademie. Für sie wurden die ersten systematischen Mineraliensammlungen angeschafft. Weiterer Zuwachs kam 1805, als Alexander von Humboldt (1769 - 1859) die Mineralien stiftete, die er auf seiner Südamerikareise zusammengetragen und eigenhändig beschriftet hatte. Die entscheidende Etappe kam 1810. In dieser schwierigen Zeit nach der Niederlage gegen Napoleon, in einer Phase der außenpolitischen Ohnmacht, ging Preußen an die innere Erneuerung. Der ältere der beiden Brüder Humboldt, Wilhelm, wurde zum Leiter des Kultus- und Unterrichtswesens im preußischen Innenministerium bestellt und gründete 1810 die Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität, die 1949 nach ihm benannt wurde. Ihr Sitz wurde das weiträumige Palais des Prinzen Heinrich, des Bruders Friedrich des Großen, und sie musste sich das Gebäude mit drei gleichzeitig Gegründeten naturkundlichen Museen teilen: dem mineralogischen, dem zoologischen und dem „anatomisch-zootomischen" (Zerlegung und Analyse der Körper des Menschen und der Tiere). Der Platz in dem riesigen Palais wurde immer enger. Die Museen beanspruchten schließlich zwei Drittel der Flächen. 1869 war das Maß voll, als ein präpariertes Walroß den Zugang zur Aula versperrte. Nun setzte sich die Forderung durch, ein eigenes Museumsgebäude zu errichten. Die Umsetzung ließ zwar noch auf sich warten. Dann aber wurde innerhalb von sechs Jahren der prächtige Bau im Stil der Neorenaissance und des Neobarock in der Invalidenstraße errichtet, der 1889 von Kaiser Wilhelm II. eingeweiht wurde. Das Konzept war neuartig und wurde viel nachgeahmt. Die hohen, großzügig bemessenen Ausstellungsräume befinden sich im Erdgeschoß, die umfangreichen Reservebestände in den beiden oberen Stockwerken. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Ostteil des Gebäudes zerstört, ebenso alle Dächer. Unmittelbar nach Kriegsende wurde die Arbeit wieder aufgenommen, und die unbedingt erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen wurden getroffen. Nach der Wiedervereinigung folgten umfangreiche Erneuerungsmaßnahmen und der Wiederaufbau des Ostflügels.
2010 war das Museum zur 200-Jahrfeier voll wiederhergestellt.
Es gehört zu den fünf größten seiner Art in der Welt. Es verfügt über 30 Millionen Sammlungsobjekte! Sie sind noch längst nicht alle analysiert und ausgewertet. Hier bleiben viele Aufgaben. Die wissenschaftliche Forschung ist die eine Seite der Arbeit dieses Museums, der Anschauungsunterricht für die Öffentlichkeit die andere. Zentrum und Hauptsaal ist der mit Glas überdachte Innenhof. Dort findet das größte montierte Dinosaurierskelett der Welt, der Brachiosaurus Brancai, reichlich Platz:
er ist 23 m lang und 13,27 m hoch und hat sich damit für das Guiness-Buch der Rekorde qualifiziert (siehe Abbildung). Daneben befinden sich andere imposante, wenn auch nicht ganz so große Saurierskelette und - vor allem - das vielleicht berühmteste Fossil, der versteinerte Archaeopterix. Von den bisher gefundenen zehn Exemplaren des „Urvogels" ist es das einzige vollständig erhaltene. Seine wissenschaftliche Bedeutung besteht auch darin, dass es als Paradebeispiel für die Evolutionstheorie herangezogen werden kann, als augenscheinliche Übergangsform zwischen Reptil und Vogel.
Andere Säle des Museums veranschaulichen an Hand von gefundenen Skeletten die Entwicklung des Menschen im Laufe von vier Millionen Jahren, zeigen Paläontologische Objekte, d. h. Überreste und Versteinerungen von Tieren und Pflanzen aus verschiedenen erdgeschichtlichen Epochen, dann aber auch präparierte Säugetiere und Vögel unseres Zeitalters (ferner die Techniken der Präparation). Teilweise sind diese Tiere aufgestellt in „Dioramen", dreidimensionalen Schaubildern, die ihre typische Umwelt wiedergeben. Schmetterlingssammlungen, Versteinerungen von Seetieren sind ebenfalls zu bewundern. Eindrucksvoll sind die immens vergrößerten Modelle von Insekten, z. B. Spinnen, ein riesiger Menschenfloh, eine ebenso gewaltige Ameise, wie sie eine Blattlaus „anzapft". Vervollständigt werden diese Eindrücke mit einem Rundgang durch den neuaufgebauten Ostflügel des Museums. Dort ist seit 2010 die wissenschaftliche „Naßsammlung" untergebracht.
Auf den Regalen werden in 276 000 mit Alkohol gefüllten Gläsern ca. 1 Million Tiere aufbewahrt. Sie sind nach den neuesten Erkenntnissen und Sicherheitsstandards untergebracht. Diese Sammlung ist ein großes Reservoir für die Forschung, den Besucher kann sie schon durch ihren schieren Umfang beeindrucken. Für das Publikum sind demgegenüber die Säle eingerichtet, die Kosmos und Himmelskörper veranschaulichen oder geologische Entwicklungen und Ereignisse, z. B. Erdbeben und Tsunamis, beschreiben.
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Fotos: Dietrich Lincke mit Genehmigung des Museuums für Naturkunde