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Berndt Seite wirft einen Blick in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Nicht nur seine eigene, sonderen auch auf Blick auf die Menschheit als Ganzes.

Der Treptower Park und seine Geschichte.

Der Treptower Park und seine Geschichte.

Dietrich Lincke

Der Treptower Park ist ein beliebtes Naherholungsgebiet, das  zahlreiche Berliner, aber auch viele Touristen anzieht. Er ist recht zentral gelegen (ca.6  km Luftlinie vom Brandenburger Tor in südöstlicher Richtung), näher als der Grunewald im Westen: Von der Leipziger Straße führt eine Buslinie (Nr.265) in etwa 20 Minuten zum Ziel. Die S-Bahn hält am „Treptower Park", eine Station südlich vom Ostkreuz. Dicht am Bahnhof - an der Spree - ist ein Hafen, in dem die Ausflugsdampfer der Berliner Stern- und Kreisschifffahrt GmbH anlegen (er ist zugleich ihr Winterquartier). In der Saison (April bis Oktober) fahren die Schiffe stadteinwärts,  fast bis zum Schloß Charlottenburg, und auswärts bis zum Müggelsee , aber auch viel weiter, gelegentlich bis Stettin. Man kann auch südlich um Berlin herum, etwa bis zum Wannsee,  fahren.

So kann der Treptower Park zum Ausgangspunkt oder Abschluß weiträumiger Ausflüge werden. Schon seine eigene Fläche ist in einer Großstadt beachtlich: 88 ha - und dann geht er noch fast nahtlos in den Plänterwald über, der sich ebenfalls  am Ufer der Spree entlang zieht.

Wie schon im „Volkspark Friedrichshain", der in der Mitte des 19. Jahrhunderts entstand, wurde auch in Treptow (1876-1888) das neuartige Konzept des Volksparks verwirklicht. Der Entwurf für Friedrichshain geht auf Peter Joseph Lenné (1789-1866) zurück, den berühmten Generaldirektor der Königlichen Gärten in Preußen, während Treptow eine Schöpfung seines Schülers Gustav Meyer (1816-1877) ist. Die Zielsetzung war, nach dem Vorbild des Tiergartens im Westen, der im 18. Jahrhundert aus einem ehemaligen Jagdrevier entstanden war, auch im 0sten Berlins für die rasch wachsende Bevölkerung große Erholungsflächen zu schaffen. Der Treptower Park wurde wie eine natürlich gewachsene Landschaft gestaltet, mit Seen und Spazierwegen, dazwischen Liegewiesen und Spielplätzen. Doch zweimal ist dieses idyllische Bild gründlich umgekrempelt worden.

1.

1896 wurde auf dem Gelände die Berliner Gewerbeausstellung aufgebaut. Sie war als ein Glied in der Kette der „Weltausstellungen" gedacht, in denen das gastgebende Land der Welt zeigen will, zu welch großartigen Leistungen es fähig ist. 1889 hatte die Weltausstellung in Paris stattgefunden und den Eiffelturm hervorgebracht. Nun sollte Deutschland zeigen, was es konnte. Aber der Gedanke war im föderalistisch verfaßten Kaiserreich umstritten. 1892 hatten sich 18 der regionalen Industrie- u. Handelskammern dafür, aber 17 dagegen ausgesprochen, die deutsche Weltausstellung in Berlin durchzuführen. Besonders aus Bayern und Sachsen kamen Bedenken. Kaiser Wilhelm II. trug dem Rechnung und lehnte das Projekt ab, das für das Reich auch sehr teuer geworden wäre. So beschlossen Handel und Industrie der Hauptstadt, die Ausstellung in eigener Regie und mit eigenen Mitteln durchzuführen. Sie wurde trotzdem ein großer Wurf und nach dem Urteil der Zeitgenossen jeder offiziellen Weltausstellung ebenbürtig. Sie war wohl die bis heute größte selbstfinanzierte Leistungsschau der Privatwirtschaft in Deutschland. Die Stadt Berlin, die Eigentümerin des Treptower Parks war, überließ den Veranstaltern das Gelände, machte aber zur Auflage, daß Bäume und Sträucher grundsätzlich nicht entfernt werden durften und daß der Park nach dem Ende der Ausstellung wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden müsse. Trotzdem entstanden riesige Ausstellungshallen, Pavillons, Vergnügungsparks und Gaststätten. Einige dieser „Provisorien" waren vielleicht solider gebaut als manche für die Dauer bestimmte Konstruktionen unserer Zeit. Die Ausstellungshallen zeigten die Ergebnisse des ungeheuren und raschen technischen Fortschritts, den Preußen/Deutschland im 19. Jahrhundert erzielt hatte. Eine Durchsicht der Ausstellungskataloge zeigt, welch bahnbrechende technische Entwicklungen damals stattfanden. Ein Beispiel: Wilhelm Conrad Röntgen konnte die von ihm im Vorjahr (1895) entdeckten Strahlen demonstrieren. Aber nicht nur die Technik kam zur Geltung. Auch Fortschritte im Gesundheitswesen, in der Bildung und Erziehung (Schulen und Kindergärten) und auf sozialem Gebiet wurden dargestellt (z.B. warb das Reichsversicherungsamt für die neue Bismarcksche Sozialgesetzgebung). Beliebte Sonderschauen waren die Marinevorführungen mit großen Modellschiffen, eine wirksame Werbung für die kaiserliche Flottenpolitik, und die „Deutsche Kolonialausstellung", zu der auch Bewohner der frischerworbenen Kolonien nach Berlin geholt worden waren. Weitere Publikumsmagneten bildeten ein nachgebautes, echt wirkendes „Alt-Berlin" mit historischen Aufführungen und „Kairo", ebenfalls eine gelungene Imitation der ägyptischen Hauptstadt, zu der auch zwei große Pyramiden gehörten; eine von ihnen hatte eine Aussichtsplattform, die man mit einem Fahrstuhl im Innern erreichen konnte.

All diese umfangreichen Baulichkeiten und Anlagen wurden nach dem Ende der Ausstellung vertragsgemäß entfernt, der alte Zustand des Treptower Parks wiederhergestellt. Was zum Vorteil Treptows zunächst blieb, war die Verkehrsstruktur, die für die Ausstellung ausgebaut oder erst geschaffen worden war und 7 Millionen Besucher hin befördert hatte: der erweiterte Bahnhof, der ausgebaute Hafen, die elektrische Straßenbahnlinie von Berlin nach Treptow, eine der ersten, die Siemens & Halske für das von ihnen entwickelte Verkehrsmittel einrichteten. Lediglich die Untertunnelung der Spree zur Halbinsel Stralau, durch die später ebenfalls eine Bahn fuhr, war bis zur Ausstellung 1896 nicht fertig geworden, ein ganz kleiner Schönheitsfehler, der eher noch den Unterschied zwischen dem Erfolg von Berliner Großprojekten im ausgehenden 19. und im beginnenden 21.Jahrhundert deutlich macht. Der Tunnel wurde im II. Weltkrieg zerstört, die Straßenbahn ist lange stillgelegt.

Nur ein schönes Erinnerungsstück an die Gewerbeausstellung steht noch heute im Treptower Park: die Archenbold-Sternwarte mit einigen dazugehörigen kleinen Observatorien. Sie wurde mit dem längsten Linsenfernrohr der Welt ausgestattet. Die hohen Kosten wurden zum großen Teil durch Eintrittsgelder aufgebracht. Die Sternwarte ist noch heute beliebt als Ort von Vorführungen, Vorträgen und... Hochzeiten. Das hat eine gute Tradition: 1915 erläuterte Albert Einstein dem Publikum hier seine Relativitätstheorie.
Das ausgehende 19. und das beginnende 20. Jahrhundert waren die Glanzzeit Treptows und seines Parks. Auch das stattliche Rathaus zwischen Park und Plänterwald stammt aus dieser Zeit.

2.

Aber nach dem II. Weltkrieg machte der Treptower Park eine zweite Metamorphose durch: 1947-1949 errichtete die sowjetische Siegermacht dort ein gewaltiges Ehrenmal. Im zerstörten Berlin gab es kaum ein anderes Areal im Ostsektor, das eine so große Fläche für ein derartiges Monument geboten hätte. Die beiden Eingänge sind durch zwei steinerne Torbögen markiert. Von ihnen führen breite Wege zum Denkmal der trauernden „Mutter Heimat". Sie erinnert an eine Pietá. Von dort aus geht man auf ein riesiges Fahnenmonument aus rotem Granit zu. Dahinter befindet sich ein Grabhügel mit einem Mausoleum, auf dem die riesige Bronzestatue eines sowjetischen Soldaten steht, der in der einen Hand ein Schwert, im anderen Arm ein Kind hält. Das Denkmal ist den bei der Eroberung Berlins gefallenen sowjetischen Soldaten gewidmet. Es waren etwa 80 000. Von ihnen sind 5000 hier bestattet.

Im hinteren Teil der Anlage stehen in einer Gartenfläche links und rechts je 8 Stelen. Sie tragen Reliefs und geben Aussprüche von J.W. Stalin wieder, links auf Russisch und in kyrillischer Schrift, rechts auf Deutsch. Sie waren im Laufe der Zeit etwas verblichen, wurden aber kürzlich aufwendig in goldenen Lettern restauriert. Wahrscheinlich ist dem sowjetischen Diktator in jüngster Zeit selbst auf russischem Boden kaum so viel Respekt und Aufmerksamkeit zuteilgeworden wie hier von deutscher Seite. Das hätte wohl nicht zwingend zu der vertraglich gebotenen, durchaus liebevollen Pflege der Kriegsgräberstätte gehört. Auch vor Sankt Petersburg sorgt jedenfalls der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge für ein würdiges Gedenken an die deutschen Soldaten, die bei der zweijährigen Belagerung der Stadt (Ende 1941 bis Anfang 1944) gefallen sind. Damit ist die gegenseitige Achtung vor den Gefallenen verwirklicht.

Die sowjetische Kriegsgräberstätte war in kommunistischer Zeit Schauplatz von Zeremonien und Militärparaden an den Gedenktagen. Davon ist wenig geblieben. Am Jahrestag der Oktoberrevolution legen einige Ewiggestrige noch immer Nelken nieder. Aber ein touristischer Anziehungspunkt ist die Stätte geblieben. Immer wieder kommen Reisebusse, nicht nur aus Rußland und den osteuropäischen Nachbarländern.
Der Treptower Park ist jedoch so ausgedehnt, daß man stundenlang nur die Natur und die landschaftliche Gestaltung bewundern kann, wenn einem nach der Besichtigung eines Kriegerdenkmals gerade nicht zumute ist. Allerdings gibt es im Innern des Parks kaum Möglichkeiten einzukehren. Ein kleines Bierlokal schloß nach Dutzenden von nächtlichen Einbrüchen. Man ist also auf mitgebrachte Frühstücksbrote angewiesen. Am Spreeufer findet man aber Imbißbuden - einige auch mit Sitzgelegenheiten.

Um den Park herum gibt es nur wenige Lokale für anspruchsvolle Besucher. Dabei war Treptow schon lange, bevor der Park geschaffen wurde, ein beliebtes Ausflugsziel der Berliner, gerade auch der „feinen Gesellschaft". Es begann mit einem Gehöft an der Spree, dem „Vorwerk". Dazu gehörte seit dem 17. Jahrhundert auch eine Gastwirtschaft, die zunächst allerdings mehr als Raststätte für Reisende auf dem Weg nach Berlin diente. Nach dem Dreißigjährigen Krieg bewirtschaftete das Vorwerk zeitweilig der Küchenmeister des Großen Kurfürsten Erdtmann Schmoll, sicher kein schlechter Start für die Gastronomie. Einer seiner Nachfolger als Pächter baute die Gastwirtschaft 1734 in großem Stil aus. 1821/22 wurde an der Stelle ein neues elegantes Gebäude im klassizistischen Stil errichtet, das „Neue Gasthaus an der Spree". Da das Grundstück der Stadt Berlin gehörte und von ihr verpachtet wurde, bezeichnete man das Lokal auch als „Magistratscafé´". Architekt war Carl Ferdinand Langhans (nicht zu verwechseln mit seinem noch berühmteren Vater, dem Schöpfer des Brandenburger Tors). Immerhin wurde das Gebäude von Zeitgenossen gelegentlich als „Sanssouci des Ostens" bezeichnet. In den 1870er Jahren bürgerte sich der Name „Zenner" für das Lokal ein (nach dem damaligen Pächter). Er wurde zum Markenzeichen, und die Nachfolger behielten ihn bei. Im II. Weltkrieg wurde das Gebäude zerstört, aber schon in den 50er Jahren in Anlehnung an den Baustil des Vorläufers wieder errichtet. Zum alten Glanz kehrte es trotzdem nie wieder zurück. Aber es betreibt immer noch eines der größten Gartenlokale Berlins, mit Selbstbedienung. Das Innere des Gebäudes füllt sich gelegentlich an den Wochenenden, wenn die - vorwiegend reifere - Jugend zum Brunch kommt und „bands" zum Tanz aufspielen.

Ein kleiner Spaziergang, flußaufwärts an der Spree entlang, unter der Abteibrücke hindurch (s. besonderen Beitrag), führt zum Schiffsrestaurant „Klipper". Dies ist ein an die Spree verlegter, ehemals seetüchtiger Zweimaster, der hier eine neue Karriere als Ausflugslokal begonnen hat. Die Fläche wurde inzwischen durch vorgelagerte Terrassen erweitert . Stärke der Küche sind Fischgerichte mit Namen, die der Seefahrt entlehnt sind. Wer mehr erleben will, kann in der Saison von einer dazu gehörigen Brücke mit einem kleinen Wasserflugzeug einen Rundflug über Berlin machen. Dies ist der Standort für das nicht ganz billige Vergnügen. Volkstümlichere Preise nehmen dagegen die Bootsverleiher in der Nähe, die auch Tretboote anbieten.

Der „Klipper" war lange das einzige Lokal mit kulinarischem Ehrgeiz am Rande des Treptower Parks und deshalb bei schönem Wetter gelegentlich überlaufen. Seit dem Frühjahr 2013 ist auf der anderen Seite des Parks (Am Treptower Park 37, gegenüber dem Eingangstor zum „Ehrenmal", wo sich auch ein geräumiger Parkplatz befindet) das „Al Colosseo" hinzugekommen. Es macht seinem Namen alle Ehre; denn es bietet gute italienische Küche und einen zuvorkommenden Service bei sehr annehmbaren Preisen. Ausgesprochen günstig ist der Mittagstisch an den Werktagen - mit Schwerpunkt Pizza und Pasta (auch letztere oft hausgemacht). Das hat sich anscheinend schnell herumgesprochen; mittags ist das Lokal voll. Abends, besonders am Wochenende, locken die Raffinessen des Küchenchefs. An den Nachmittagen stärken sich Parkbesucher nach dem Spaziergang sowie Mütter mit Kindern, die von den gegenüberliegenden Spielplätzen zurückkommen.

Wenn auch die Glanzzeit Treptows mit seinen zahlreichen Biergärten um den Park herum nach dem II. Weltkrieg erst einmal endete, gibt es Anzeichen dafür, daß es wieder im Kommen ist. Die bevorstehende Verlängerung der Stadtautobahn zum Treptower Park mag für die Anwohner einige Unannehmlichkeiten bringen. Aber sie wird das Viertel noch näher ans Zentrum heranführen und damit weiter beleben. Der größte Pluspunkt dürfte dabei auch künftig der Park mit dem angrenzenden Spreeufer und dem Hafen sein - dank der Weitsicht der Vorväter.

Treptower Park

*****

Fotos: Dietrich Lincke

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