Hans-Baluschek-Park
Jean Gies
Eigenwillige Reize in Tempelhof-Schöneberg
Die Luftansicht des schmalen Grünstreifens, der zwischen den Bahnhöfen Priesterweg und Südkreuz entlang der S-Bahn-Trasse erstreckt, verheißt zunächst einmal kein allzu ergreifendes Naturerlebnis - zu eng, zu gerad, zu grau, zu jung scheint der Park, der nach dem Berliner Maler und Schriftsteller Hans Baluschek (1870 -1935) benannt und im Jahr 2004 eröffnet wurde.
Vor Ort erschließen sich jedoch seine eigenwilligen Reize. In Anbetracht des Flächenzuschnitts haben die Planer auf Reduktion und Bezugnahme auf lokale Gegebenheiten gesetzt. Wenige, formal starke Gestaltungselemente strukturieren den Park, die eingesetzten Materialien sind dem Bahnanlagenbau entlehnt, die Bepflanzung orientiert sich an der der typischen Vegetation, die sich an brachliegenden Bahndämmen ansiedelt.
Im Vordergrund der minimalistischen Konzeption steht eine 4 Meter breite, gerade, in Cortenstahl gefasste Asphaltbahn. Ihre makellos ebene Oberfläche lädt alles, was Räder und Rädchen hat, zum reibungsfreien, beseelten Dahingleiten in den Feierabend ein. Die 1,5 km lange Distanz wird exakt gegliedert durch vier rampenförmige Plätze, welche den Ausblick auf die Schöneberger Silhouette ermöglichen und unterschiedlichen Erbauungen der frischluftschnappenden Stadtflüchter gewidmet sind: dem Spiel, Sport, Picknick und Sonnenbad.
Dass der kleine Park trotz vorgegebener Enge und mathematischer Strenge nicht zu einer leidlich angenehmen, zweckbaulichen Betonschneise zwischen Verkehrsknotenpunkten geraten ist, sondern als kleine idyllische Zuflucht empfunden werden kann, liegt am harmonischen Zusammenspiel zwischen Geometrie, geplanter Asymmetrie und dem wunderbaren Wildwuchs, der sich entfalten darf. Eine Robinie ragt malerisch in die Sichtachse hinein, Kieferngruppen filtern mildes Licht auf die Plätze herab. Links und rechts der pfeilgeraden Skaterpiste führen kleine Trampelpfade den Flaneur ohne Fahrwerk an den Füßen durch die Trockenwiesen, im Schatten von Robinien, Birken, Ahorn, an Haselnuss und Brombeerhecke, Natternkopf, Schafgarbe, Flockenblume vorbei. Es wuchert und rankt, blüht und reift, welkt und dorrt, kratzt und piekst, zirpt und brummt vielgestaltig. Solche unverhoffte Wildnis inmitten der Stadt überrascht und rührt das Herz, das sich angesichts von Baumscheibenpatenschaften und Vertical Gardening schon lange nach den summenden Wiesen und zerkratzten Schienbeinen der Kindheit verzehrt. Man streift durch die wogenden Gräser, von einem bis zum anderen Ende des Parks, beglückt von der sich selbst überlassenen, saumseligen Natur. Und auf dem Rückweg sieht im Gegenlicht alles nochmal so schön aus, wodurch man sich - Verweilpäuschen nicht eingerechnet - eine gute dreiviertel Stunde auf dem sparsam bemessenen, doch an Naturimpressionen reichen Terrain ergehen und erfreuen kann.
Hans-Baluschek-Park
Wildpflanzen im Hans-Baluschek-Park
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